Ankaufs- und Regelbewerter: Regulatorischer Unterschied zwischen Luxemburg und Deutschland

Bei Vermögensgegenständen, für die kein handelbarer Kurs vorhanden ist, ist es von wesentlichem Interesse des Anlegers sowie auch für die Stabilität der Finanzbranche im Bereich der Immobilien- und Sachwerteinvestments, dass diese fair und angemessen bewertet werden. Denn gerade bei illiquiden Finanzinstrumenten, deren Wert nicht durch einen regen Handel und daher durch einen Marktkonsens bestimmt wird, ist assetklassenspezifisch die angemessene Bewertung von besonderer Erheblichkeit.

Der europäische Gesetzgeber verlangt demzufolge, dass angemessene Grundsätze und Verfahren für die ordnungsgemäße und unabhängige Bewertung der Vermögenswerte von AIF festzulegen sind. Folgerichtig statuiert der Gesetzgeber in Abhängigkeit davon ob intern oder extern bewertet wird, die Vorrausetzungen an die interne Bewertung und den externen Bewerter. Während sich der Standort Luxemburg zum Thema Bewerter im Ganzen auf die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 231/2013 („Level-II VO“) stützt, hat der deutsche Gesetzgeber im KAGB basierend auf der eben genannten Verordnung für die einzelnen Arten von Investmentvermögen an dortiger Stelle weitreichendere Regelungen getroffen. Daraus resultiert u.a., dass in Luxemburg und Deutschland unterschiedliche Standards bei der Ankaufs- und Regelbewertung existieren.

Detaillierte Normierungen des deutschen Gesetzgebers

Die AIFM Richtlinie selbst überlässt es dem Anwender, ob intern oder extern bewertet wird. Soll intern bewertet werden, sind besondere Anforderungen an die Organisation in der KVG zu beachten (Bewertungsrichtlinie, Unabhängigkeit des Bewerters in der KVG Organisation). Wird allerdings extern bewertet, muss die KVG den besonderen Voraussetzungen an den Bewerter Aufmerksamkeit schenken (Art. 73 Level-II VO). Dieses Prinzip gilt auch in Deutschland, jedoch sind bei den meisten Investmentvermögen weitreichendere Anforderungen an die Eigenschaft des Bewerters geknüpft. Die externe Bewertung ist in der Praxis der Regelfall. Allerdings wird insofern an zahlreichen Stellen im KAGB (§§ 231 Abs. 2 Nr. 3, 261 Abs. 5 Nr. 2 KAGB) verlangt, dass der Ankaufs- und Regelbewerter personenverschieden sind. Beispielsweise ist bei Immobilien (Spezial-) Sondervermögen und geschlossenen Publikums-AIF explizit untersagt, dass der Ankaufsbewerter zugleich die Regelbewertung vornimmt. Dem liegt der Gedanke der Unabhängigkeit und Objektivität der Bewerter zum Schutze der Anleger zu Grunde. Es soll sichergestellt werden, dass ein  unvoreingenommener Dritter die Bewertung einer Immobilie oder eines Sachwertes durchführt. Die abstrakte Gefahr von Gefälligkeitsgutachten, die aufgrund einer Dauermandatierung entstehen kann, soll vermieden werden.

Umso höher ist daher die Bedeutung des Schreibens der BaFin vom 9.2.2017 (GZ: WA 42-WP 6003-2016/0001) für den deutschen Fondsstandort. Dieses geht der Frage nach, inwiefern die KVG ihre externen Bewerter bei verschiedenen Fonds in unterschiedlicher Funktion jeweils als Ankaufs- wie auch Regelbewerter einsetzen darf. Hierbei handelt es sich um ein praktisches Problem, das sich bei den meisten Arten von Investmentvermögen wiederfindet. Insbesondere bei denen des geschlossenen Spezial-AIF (§ 285 KAGB), bei denen eine interne Bewertung genügt, wird nichtsdestotrotz entsprechend der Markt-Usancen ein externer Bewerter hinzugezogen. Folgerichtig besteht hier in der Industrie ein hohes Klarstellungsbedürfnis, wann der Ankaufsbewerter für andere Fonds derselben KVG auch die Funktion des Regelbewerters einnehmen darf. Denn in der Praxis kann tatsächlich ein Engpass an BaFin-geeigneten Bewertern bestehen, insbesondere für vereinzelte, weniger verbreitete Sachwerte. Eine zu strenge Interpretation des oben beschriebenen Anlegerschutz-Gedankens würde sich daher beim gutgemeinten Ausschluss vorhandener Bewerter ins Gegenteil verkehren.

Unter Zugrundelegung der eben festgestellten, sehr häufigen Anwendung der externen Bewertung bei Immobilien und Sachwerten, stellt die Trennung zwischen Ankaufs- und Regelbewerter bei der externen Bewertung kein Scheinproblem dar. Betrachtet man des Weiteren spezifisch bei Immobilien-Sondervermögen die Rotationspflicht, wonach die regelmäßige Bewertung nach drei aufeinander folgenden Jahren rotiert sowie ferner eine erneute Bestellung des Bewerters erst nach Ablauf einer Karenzzeit von zwei Jahren wieder möglich ist, stellt es für den Markt eine enorme Belastung dar, die Bestellung eines externen Bewerters für die jeweiligen Vermögensgegenstände zu gewährleisten. Dies insbesondere vor dem Hintergrund eines Marktes, der aufgrund seiner Komplexität für die Bewertung von Immobilien und im Besonderen der Sachwerte keine externen Bewerter im Überfluss hat.

Mit dieser Problematik beschäftigt sich die BaFin im vorgenannten Schreiben vom 9.02.2017 (GZ: WA 42-WP 6003-2016/0001). Dieses erging u.a. an die bekannten Sachwertverbände sowie das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. Darin hat sie zur Trennung von Ankaufs- und Regelbewertern von Immobilien und anderen Sachwerten Stellung genommen. Unstreitig war auch vorher schon, dass der externe Bewerter ein und desselben Vermögensgegenstands nicht zugleich Ankauf- und Regelbewerter sein kann. Denn dies ist explizit und unmissverständlich nach §§ 231 Abs. 2 Nr. 3, 261 Abs. 5 Nr. 2 KAGB verboten. Jedoch verhält sich das Gesetz nicht explizit zur Frage, ob ein externer Bewerter innerhalb der von der KVG verwalteten Fonds für verschiedene Vermögensgegenstände jeweils unterschiedlich als Ankaufs- und Regelbewerter auftreten darf. Die BaFin unterscheidet dementsprechend bei Konkretisierung ihrer Verwaltungspraxis zwischen den beiden Begrifflichkeiten „KVG-Ebene“ und „Fondsebene“.

Danach ist auf Fondsebene die Trennung zwischen Ankaufs- und Regelbewerter einzuhalten (Restriktive Handhabung). Das bedeutet konkret: Sobald der externe Bewerter für einen Vermögensgegenstand eines AIF die Ankaufsbewertung durchgeführt hat, ist er automatisch für die Regelbewertung anderer Vermögensgegenstände desselben AIF gesperrt. Hier interpretiert die Aufsicht den Grundsatz der kohärenten, unabhängigen und transparenten Bewertung sehr weitreichend. Dafür kommt die BaFin aber der Industrie auf KVG-Ebene ein ganzes Stück näher (Extensive Handhabung). Hiernach gestattet es die BaFin der KVG, dass für sie ein externer Bewerter die Ankaufsbewertung von Vermögensgegenständen eines Fonds und die Regelbewertung von Vermögensgegenständen eines anderen Fonds durchführt. Der KVG wird somit eine Option belassen, einen externen Bewerter als Ankaufs- und Regelbewerter zu bestellen, solange der externe Bewerter diese beiden Funktionen in der KVG für verschiedene AIF ausführt.

Das Luxemburger Pendant

In Luxemburg ist die Welt – wie so oft – leichter gestrickt. Aus der luxemburgischen Gesetzgebung („Luxembourg Law of 12 July 2013 on alternative investment fund managers“) ergibt sich zum einen schon kein Erfordernis einer externen Bewertung, wie dies in Deutschland bei einer Immobilie im Immobilien-Sondervermögen oder eines Sachwerts im geschlossenen inländischen Publikums-AIF der Fall ist. Eine Unterscheidung zwischen Ankaufs- und Regelbewerter bei der Bestellung eines externen Bewerters ist in den jeweiligen Fondsvehikel Luxemburgs zum anderen ebenfalls nicht vorgesehen.

Damit unterliegt der Luxemburger AIFM bei seiner Auswahl der geeigneten Bewertungsform nicht weiteren Restriktionen. Selbstverständlich muss die externe Bewertung dem durch die AIFM-Richtlinie sowie der Level-II VO gesetzten Rahmen zum Schutz der Anleger gerecht werden. Dies ist in Luxemburg dadurch gewährleistet, dass der AIFM zunächst eine vom AIF unabhängige Person zum externen Bewerter bestellt. In den FAQ der CSSF zu dem Luxembourg Law of 12 July 2013 on alternative investment fund managers setzt die CSSF zur Bestellung des externen Bewerters eine schriftliche Vereinbarung voraus, in welcher die Unabhängigkeit des Bewerters garantiert wird. Des Weiteren ist die Bestellung des externen Bewerters der CSSF anzuzeigen, die bei Fehlen der oben genannten Voraussetzungen den AIFM dazu auffordern kann, die Bewertungsrichtlinie und/oder die Bewertung selbst durch einen weiteren externen Bewerter oder einen staatlich genehmigten Abschlussprüfer überprüfen zu lassen. Ferner muss der Bewerter berufliche Garantien vorweisen können, die u.a. seine Qualifikation, Kompetenz und Reputation nachweisen (vgl. Art. 73 Level II-VO).

Der AIFM seinerseits dokumentiert die Erfüllung sowie die laufende Einhaltung der eben aufgezeigten Anforderungen durch eine schriftlich festzuhaltende Erst- sowie Ongoing-Due-Diligence. Dennoch sind im Vergleich zu Deutschland weniger formale Anforderungen zu beachten, schlicht weil man sich im Wesentlichen auf die Übernahme des europäischen Rechtsrahmens begrenzt hat. Daraus resultiert, dass AIFM in Luxemburg zu jeder Zeit auf den vollen Markt der externen Bewerter ohne besondere Einschränkungen zugreifen können. Engpässe sind bei der Auswahl des Bewerters daher anders als in Deutschland nicht zu befürchten.

Fazit

Die Konkretisierung der kohärenten und unabhängigen Bewertung ist gesetzlich nicht zweifelsfrei. Die Aufsicht in Deutschland unternimmt den Spagat, indem sie mit gebotenem Augenmaß bei der Ausprägung von Interessenskonflikten zwischen der Fonds- und KVG-Ebene unterscheidet. Hiermit hat sie ein sachliches Unterscheidungskriterium entwickelt, dass den Bedürfnissen der Praxis nach ausreichend Auswahl an KVG-konformen externen Bewertern zumindest teilweise entgegenkommt. Ob zukünftige Engpässe bei der Bestellung von Bewertern allein nur durch die oben geschilderte Auslegung vermieden werden können, muss sich jetzt erst einmal zeigen.

Der direkte Vergleich zu Luxemburg zeigt die noch größere Handlungsfähigkeit der AIFM bei Auswahl externer Bewerter auf. Während in Luxemburg schlicht die europäischen Vorgaben in das nationale Recht übernommen wurden, glänzt Deutschland gewohntermaßen durch Goldplating. Es ist zu hoffen, dass zur Verwirklichung des im Gesetz verankerten Anlegerschutzgedankens für den sensiblen Bereich der Bewertung das richtige Augenmaß gefunden worden ist. Dies gilt insbesondere für exotischere Sachwerte, weil zum einen das Angebot an externen Bewertern beschränkt ist sowie zum anderen das Angebot durch die gesetzlich festgelegte Restriktion weiter eingegrenzt wird. Der deutschen Aufsicht ist jedenfalls zu Gute zu halten, dass sie ein sachliches Abgrenzungskriterium entwickelt hat.

06. März 2017

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Zusammengefasst
  • In Luxemburg und Deutschland bestehen unterschiedliche Standards im Bereich der Bewertung von Immobilien und Sachwerten.
  • Eine Unterscheidung zwischen Ankaufs- und Regelbewertung ist dem Luxemburger Regime fremd.
  • Die BaFin entwickelt mit den Begrifflichkeiten „KVG-„ und „Fondsebene“ ein sachliches Kriterium, um die Frage der Beauftragung eines Bewerters für            unterschiedliche Vermögensgegenstände derselben KVG in den Griff zu bekommen.
  • Die BaFin legt die Vorschriften zur Trennung von Ankaufs- und Regelbewertung auf Fondsebene eng aus, auf KVG-Ebene hingegen weit.
Autor

Robert Guzialowski

Robert Guzialowski ist Leiter Real Assets Deutschland bei Hauck & Aufhäuser Privatbankiers AG. Er verantwortet neben Vertrieb und Kundenmanagement der AIF-Verwahrstelle die Begleitung der KVGen von der Aufnahme der Geschäftsbeziehung über das Onboarding bis hin zu den Fondstransaktionen. Robert Guzialowski ist Rechtsanwalt und veröffentlicht regelmäßig zu aufsichtsrechtlichen Entwicklungen.

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