China - Die wichtigsten wirtschaftlichen Entwicklungen im Reich der Mitte

Der China Report von Andreas Grünewald, CEO der unabhängigen Münchner Vermögensverwaltung FIVV AG, berichtet aus dem Repräsentanzbüro in Peking über die wichtigsten und interessantesten Entwicklungen im Reich der Mitte.

Politische Entwicklung in China führt zu angespannten Beziehungen mit Deutschland

Nachdem die chinesische Regierung der Grünen-Politikerin Margarete Bause die Teilnahme an einer Delegationsreise nach China verwehrt hat, steht nun die gesamte Reise auf dem Spiel. Bause ist eine der deutschen Abgeordneten, die China wiederholt aufgrund der schlechten Menschenrechtslage kritisiert hat. Geplant war eine Delegationsreise der Digitalisierungskommission des Bundestages, um mehr über die Entwicklungen von KI und Start-Ups in China zu erfahren. Da Parteikollege Dieter Janecek die Reise absagen musste, sollte Bause an seiner Stelle fahren.

Laut der Deutschen Presseagentur (DPA) hat Bause mitgeteilt, dass die für den 23. August bis 1. September geplante Reise nach Shanghai und Peking nicht stattfinden werde, solange sie Mitglied der Delegation sei. Ihre Ausladung sei ein deutliches Zeichen dafür, wie Peking Parlamentsmitglieder zum Schweigen bringen wolle, die sich laut und deutlich für Menschenrechte einsetzen. Laut einem Sprecher Bauses habe die chinesische Seite gefordert, dass Frau Bause von der Delegationsreise Abstand halten solle, anderenfalls werde der gesamten Gruppe die Einreise verwehrt.

Die chinesische Botschaft in Berlin hatte sich in einer Stellungnahme nicht direkt auf Frau Bause bezogen, sagte aber, dass China das Recht habe, jenen den Zugang zu verweigern, die nicht eingeladen sind. Der Delegation habe man bereits im April zugestimmt, die deutsche Seite hätte die Zusammensetzung der Delegation aber ohne Absprache geändert. Die chinesische Seite habe die Reise nicht abgesagt, lediglich sei eine Parlamentarierin nicht eingeladen worden. Da diese kein Mitglied des Digitalisierungsausschusses des Bundestages sei, wisse man nicht, welches Ziel sie mit der Teilnahme an der Reise verfolge. Nach dem Einreiseverbot für die Abgeordnete der Grünen ist die geplante China-Reise des Digitalausschusses des Bundestages nun offiziell abgesagt worden.

Am 10. August hatte die DPA bereits über die Absage einer anderen Delegationsreise berichtet. Ein Menschenrechtsausschuss des Bundestags hatte für September eine Reise nach Peking und in die autonomen Regionen Xinjiang und Tibet geplant. Kristin Shi-Kupfer vom Mercator Institut für China-Studien in Berlin sagte jedoch, dass diesem Ausschuss bereits seit Jahren die Einreise verwehrt werde, so dass dies in gewisser Weise „business as usual“ sei.

Die Deutsch-Chinesischen Beziehungen sind laut South China Morning Post in diesem Jahr aufgrund der politischen Entwicklungen in Zusammenhang mit Xinjiang und Hongkong besonders angespannt. Staatsminister Niels Annen hatte China auf einer Reise nach Peking und Shanghai im Juli als „schwierigen Partner“ bezeichnet. In erster Linie ging es bei Annens Reise um die gemeinsamen Handelsbeziehungen, angesprochen wurde aber auch die Menschenrechtsfrage in Xinjiang. Kurz nach Annens Reise wurde eine Reihe von geplanten Treffen mit FDP-Politkern in Peking abgesagt, nachdem diese in Hongkong Politiker der Opposition getroffen hatten. Ein Treffen fand dennoch in Peking statt. Während des Treffens beschuldigte ein Beamter der Kommunistischen Partei dann Deutschland, die Gewalt in der Sonderverwaltungszone durch die öffentliche Sympathie für die in Hongkong stattfindenden Proteste und die Entscheidung, zwei Hongkongern Asyl zu gewähren, weiter anzufachen.

Mülltrennung wird Chefsache

Müllberge sucht man in Peking vergeblich. Bisher wurde der Müll der 22 Millionen Einwohner teils auf Deponiestandorte 250 Kilometer südlich des Stadtzentrums gekippt und vergraben, teils verbrannt. Neben Umweltschäden wie Luftverschmutzung durch Müllverbrennung, Bildung von Methangas und anderen faulen Gerüchen, wuchsen die Abfallberge so rasant an, dass nach neuen Wegen der Entsorgung gesucht werden musste.

Durch die schnell wachsende Mittelschicht und den steigenden Konsum wächst die Menge an Abfall dramatisch an. Vor fünf Jahren produzierten die Einwohner in den Großstädten Peking und Schanghai pro Kopf etwa 480 Kilogramm Müll im Jahr. Die Deutschen erzeugten damals 520 Kilogramm pro Kopf pro Jahr, so eine Studie zur Abfallentsorgung in Schwellenländern. In absoluten Zahlen gehört China damit heute zu den größten Müllproduzenten der Welt.

Mülltrennung – bisher war das ein Fremdwort in China. Auch wenn die Mülleimer schon seit langem in drei bis vier Sammelkategorien aufgestellt werden, interessierte das in der Praxis kaum jemanden. Auch bei der Abholung durch die offiziellen Entsorgungsunternehmen wurden bisher wahllos alle Sammelkategorien gemeinsam aufgeladen.

In Peking finden sich überall in der Stadt kleine Sammelstellen der offiziellen Müllentsorgung, wo eine erste Sortierung nach Wertstoffen stattfindet. Was noch zu Geld gemacht werden kann, wird dem offiziellen System dort entzogen und in andere Kanäle gelenkt.

Fast genauso häufig findet man komplett privat organisierte Systeme der Wertstoffverwertung – oft in Form eines dauergeparkten alten Lasters, an dem man die tagsüber gesammelten Wertstoffe gegen Geld abgeben kann und der jeden Abend voll beladen zu den Recyclingbetrieben fährt. Große Säcke für Dosen, Plastikflaschen, Elektroschrott und vor allem Papier liegen dort aus. Das Image dieser „Müllprofis“ ähnelt dem der Flaschensammler in Deutschland. Es sind Leute, die im Müll wühlen, um sich noch ein paar Yuan zum Lebensunterhalt dazu zu verdienen. Umgerechnet kaum 50 Cent bekommt man für einen kniehohen Berg Altpapier. Im Morgengrauen sieht man dort vor allem alte Menschen, die ihre Rente aufbessern oder Straßenkehrer, die sich zu ihrem Verdienst noch etwas hinzuverdienen, und die täglich angesammelten Flaschen hier vorbeibringen.

Neue Mülltonnen für 22 Millionen Menschen

Leuchtende Farben in Rot, Blau, Grün und Grau. So stehen die neuen Tonnen für den Müll jetzt in vielen Hinterhöfen Pekings. Vor gut drei Monaten ging es los. Die alten Tonnen wurden ausgetauscht und über Nacht standen neue da. Sie bringen aber nicht nur Farbe in den Alltag der Pekinger, sondern auch einen Hauch von Revolution mit sich. Fortan sollen die Haushalte in den Millionenstädten Chinas ihren Müll trennen. Und zwar nach den Kategorien: Papier, Glas, Plastik-Verpackungen, Restmüll. Aber auch toxischer Abfall wie Medikamente oder Farben und Leuchtstoffröhren sollen ab sofort professionell entsorgt werden. Das neue Ziel der Pekinger Kommission für Stadtplanung ist es, bis Ende nächsten Jahres 90 Prozent des Mülls trennen zu können.

Neu ist die Devise zwar nicht, denn eigentlich sollten die Pekinger schon seit mehr als einer Dekade ihren Müll trennen. In anderen Städten des Landes wie Schanghai wurde zum 1. Juli Müllsortierung nun zur Pflicht. In der südchinesischen Stadt Shenzhen, nahe Hongkong gibt es seit zwei Jahren Strafgelder für diejenigen, die ihren Müll nicht sauber trennen.

Das Stigma des Umweltverschmutzers soll weg

Der Druck wächst. Staats- und Parteichef Xi Jinping ließ seine „Instruktionen zur Mülltrennung“ in den Staatsnachrichten auf Seite Eins erscheinen und den Bürgern zu den Hauptsendezeiten nahebringen. Sein Aufruf zeigt, wie hoch das Thema jetzt auch politisch angesiedelt ist. So sieht er, neben den positiven Auswirkungen auf die Umwelt und die Wirtschaft, Recycling von Müll auch als Zeichen des „Zivilisationsgrades einer Gesellschaft“.

Schon im Sommer 2016 setzte Xi auf dem G20-Gipfel in der ostchinesischen Stadt Hangzhou ein Signal und trat dem Pariser Klimaschutzabkommen bei. Ebenfalls in Hangzhou forderte er Anfang Juni diesen Jahres in einem Schreiben alle Beteiligten der Versammlung zum Weltumwelttag zu mehr Ökologie auf, die Umwelt zu schützen und nachhaltige Entwicklungen voranzutreiben. Der Ernst der Sache wird nun aus China in die Welt getragen.

Doch nicht nur in den Summen, auch bei den Methoden übertreffen die Chinesen alles bisher Dagewesene. In Schanghai wurde das Sozialkreditsystem um den Bereich „Müll“ erweitert. Seit dem vergangenen Jahr werden in der Stadt „intelligente Papierkörbe“ eingesetzt, die mit Kameras und Scannern ausgestattet sind, den eingeworfenen Müll kategorisieren und nebenbei auch noch Daten über den Müll und den Umgang damit sammeln. Dafür müssen sich die Anwohner mit persönlichen Karten an diesen Geräten registrieren. Die Bürger, die regelmäßig ihren Müll sortieren, erhalten dafür Punkte, während diejenigen, die einfach so wie bisher weitermachen, Besuch vom Nachbarschaftskomitee bekommen und gerügt werden.

Doch auch dies reichte der Stadtverwaltung nicht aus, so dass im März diesen Jahres eine Informationsplattform gestartet wurde, die den gesamten Prozess der Abfallentsorgung nachvollzieht. Dafür wurden an den Müllwagen und den Sammelstellen Kameras installiert, die täglich 2000 bis 3000 Bilder des Mülls machen. Bei der Auswertung dieser Bilder kommt dann Künstliche Intelligenz zum Einsatz, um zum Beispiel falsch recycelten Müll zu identifizieren. Es kann damit auch genau nachverfolgt werden, wo welcher Müllwagen wie viel Abfall gesammelt hat, so die Entwickler des Systems.

Unterstützung kommt von der Berliner Müllentsorgungsfirma ALBA. Axel Schweitzer, der das Unternehmen leitet, lebt seit mehreren Jahren teils in Hongkong, teils in Berlin. Hat er in der Vergangenheit hauptsächlich Industrieanlagen gebaut, werden nun auch Anlagen zur Hausmüllverwertung nachgefragt.

So sind die Berliner schon in zahlreiche Projekte in China involviert. Sie leiten in der Provinz Guandong eine Fabrik zur Hausmüllverwertung. In der Provinz Sichuan kooperiert Alba mit den chinesischen Partnern Techcent und Deyang Construction Investment Group, um einen Hightech-Recyclingpark in der Größe von 445 Fußballfeldern zu bauen. Schon Mitte 2017 wurden in Anwesenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem chinesischen Premierminister Li Keqiang die Verträge dazu in Berlin unterzeichnet.

21,3 Milliarden Yuan (umgerechnet 2,6 Milliarden Euro) investiert Peking allein in diesem Jahr in die Abfallwirtschaft. Bis Ende nächstes Jahr sollen in China 46 Städte an ein Netzwerk für Recycling angeschlossen sein.

Globale Abrechnung mit Müll findet statt

Das Bestreben China „sauber“ zu machen hat darüber hinaus auch Konsequenzen für den Westen. Seit dem vergangenen Jahr will China den Müll westlicher Industrieländer nicht mehr, und hat auf 24 Abfallsorten einen Importstopp verhängt. Auch andere asiatische Länder wie Malaysia ziehen mit. Der Import von Plastikmüll fiel im ersten Halbjahr 2018 um 56 Prozent. Für Deutschland ist das eine Katastrophe. China war mit 25 Prozent einer der Hauptabnehmer des Mülls, den Deutschland in die Welt exportierte. Wohin nun mit Millionen von Tonnen in einem Land, wo es an Verarbeitungsmethoden und Lagerplätzen fehlt?

Sozialkreditsystem bald auch für Unternehmen – EU-Handelskammer warnt

Die positiven Punkte des am 28. August vorgestellten EU-Positionspapiers zu China sind schnell zusammengefasst. Künftig werden alle Unternehmen in der Volksrepublik die gleichen Rahmenbedingungen haben. Das geplante Sozialkreditsystem für Unternehmen – chinesische wie ausländische –will alle Unternehmen in China gleichbehandeln. Algorithmen sollen Fairness und Unabhängigkeit garantieren. „Dann endlich werden die überlagernden Regulierungen der chinesischen Behörden nicht mehr die europäischen Unternehmen treffen“, so Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in China im Vorwort des Papiers der EU-Handelskammer in China. So kam es zum Beispiel häufig vor, dass gerade ausländische Unternehmen ihre Produktion unterbrechen mussten, wenn etwa die Luftwerte zu schlecht wurden. Obwohl viele von ihnen – im Gegensatz zu ihren chinesischen Wettbewerbern – schon längst entsprechende Filteranlagen installiert hatten.

Damit sind die positiven Aspekte aus Sicht der EU-Vertreter aber auch schon genannt. Denn was den neuen Regelungen zugrunde liegt, ist ein Sozialkreditsystem für Unternehmen. Was bislang vor allem für die Bürger der Volksrepublik angewandt wurde, soll bald auch für Firmen gelten. Wer etwa mit Zulieferern Geschäfte macht, die die chinesische Regierung kritisch sehen, muss mit Nachteilen rechnen.

Schon ab dem 1. September sollen die ersten Maßnahmen auf dem Weg dorthin greifen. Das System soll zwar erst Ende 2020 voll in Kraft treten, die Weichen, so sieht es die EU in ihrer aktuellen Publikation, werden aber schon jetzt gestellt.

30 Behörden entscheiden über die Punktevergabe

Die Liste der Nachteile ist laut einem Papier der EU-Handelskammer lang. Bislang ist zwar unklar, welche Faktoren mit welcher Gewichtung in die Beurteilung einzelner Unternehmen eingehen. Doch schon jetzt weiß man, dass über 30 Behörden daran beteiligt sein werden. Eine höhere Punktzahl soll am Ende zu geringeren Steuersätzen, besseren Kreditbedingungen, einfacherem Marktzugang oder mehr öffentlichen Aufträgen führen, schreibt die EU-Kammer.

Auch Systeme, die darauf zielen, dass die Unternehmen sich gegenseitig kontrollieren, sind in Planung. Zu Minuspunkten könnte das Rating für Firmen zum Beispiel dann führen, wenn diese gegen Umweltvorschriften verstoßen – und zwar nicht nur für die entsprechende Firma sondern auch für deren Auftraggeber.

Das Seidenstraßen-Projekt ist schon Teil des Systems

Das Fazit der EU ist ernüchternd: Hatten chinesische Firmen gegenüber ihren ausländischen Mitbewerbern bereits in der Vergangenheit deutliche Wettbewerbsvorteile, droht das Sozialkreditsystem zusätzlichen Hürden aufzubauen. Denn heimische Unternehmen, haben den Informationsvorteil in der Regel auf ihrer Seite und können viel schneller auf neue Verordnungen reagieren als kleine oder mittelständische Betriebe aus dem Ausland. Bis diese überhaupt erfahren oder erfassen können, inwieweit sie betroffen sind, sind sie im Zweifel längst in die Fallen des Überwachungssystems gestiegen.

Während die Europäische Handelskammer Ratschläge gibt, wie sich Unternehmen besser auf das Kreditsystem vorbereiten könnten, hat China an anderer Stelle bereits Tatsachen geschaffen. So ist das Sozialkreditsystem ein integraler Bestandteil der Seidenstraßen-Projekte, die Staats- und Parteichef Xi Jinping angestoßen hat. Mit den Mitteln der Infrastrukturhilfsmaßnahmen wird in den Bündnisländern nämlich auch gleich ein Wissens- und Informationsnetzwerk aufgebaut, das mit den Datenbanken des Sozialkreditsystems abgeglichen werden wird.

Was bedeuten die anhaltenden Proteste für den Wirtschaftsstandort Hongkong

„In den ersten zehn Tagen im August ist die Zahl der Touristen um mehr als 30 Prozent eingebrochen“, berichtete kürzlich Andrew Au, Wirtschaftsberater der Hongkonger Regierung. Tourismus und Einzelhandel machen bis zu 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus und viele Festlandchinesen, die bisher zum Shoppen nach Hongkong kamen, haben ihre Reisepläne aufgrund der dort andauernden Proteste geändert.

Im ersten Halbjahr dieses Jahres kam der Großteil der 27 Millionen Besucher in der Sonderverwaltungszone vom Festland. Besonders das Luxuswarensegment leidet darunter, dass die Käufer jetzt ausbleiben. Dort sind die Umsätze im Juni zweistellig eingebrochen. Auch die Umsätze des Einzelhandels sind im Juni um sieben Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gefallen. Zudem ist der Flughafen von Hongkong mit einer jährlichen Auslastung von fast 73 Millionen Passagieren einer der verkehrsreichsten weltweit und trägt fünf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Alleine für die zwei Tage im August, an denen der Flugverkehr durch die Demonstranten teilweise lahmgelegt wurde, schätzen Experten den Schaden auf 76 Millionen Dollar. Und auch deutsche Unternehmen könnten davon stark betroffen sein. Die Außenhandelskammer (AHK) in Hongkong hat eine Blitzumfrage unter ihren Mitgliedern gestartet, denn viele deutsche Firmen sind in der Transport- und Logistikbranche tätig, so dass eine Störung des Luftverkehrs Schäden verursachen dürfte.

Demonstrierender Pilot suspendiert

Die Aktien der Hongkonger Fluggesellschaft Cathay Pacific fielen zeitweise auf den tiefsten Stand seit einer Dekade. Das zeigt die Dramatik und den Zwiespalt, in der die Unternehmen vor Ort stehen – seien es nun heimische oder ausländische. Die chinesische Bank ICBC hatte zum Verkauf der Aktie von Cathay geraten, nachdem die chinesische Flugaufsicht CAAC die Airline dazu aufforderte, keine Mitarbeiter und Piloten auf Flügen über den chinesischen Luftraum einzusetzen, die sich an den Protesten in Hongkong beteiligt hatten.

Die Fluggesellschaft suspendierte daraufhin einen Piloten. Zu groß war die Furcht vor Boykott-Aufrufen von chinesischen Kunden in den sozialen Netzwerken, und vor noch negativeren Folgen, sollte man nicht auf die Forderungen Pekings eingehen.

Max Zenglein, Leiter des Programms Wirtschaft beim Berliner China-Thinktank Merics sagt, dies habe eine Signalwirkung auf ausländische Unternehmen. Er sieht „die Politisierung der Geschehnisse als in höchstem Maße Besorgnis erregend. Durch starke wirtschaftliche Interessen werden Unternehmen gezwungen, ihre eigenen Mitarbeiter zu disziplinieren“, sagt Zenglein.

Ausländische Unternehmen in Hongkong haben hinter vorgehaltener Hand ihren Mitarbeitern untersagt, an den Demonstrationen teilzunehmen. Zu groß ist die Ungewissheit über die Auswirkung auf ihre Geschäftstätigkeiten, sollte sie Pekings Zorn treffen. Siemens Chef Joe Kaeser hat in seiner Funktion als Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft (APA) an die Konfliktparteien appelliert, aufeinander zuzugehen. Mehr als 600 deutsche Unternehmen beschäftigen in Hongkong nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) etwa 40.000 Mitarbeiter. Die Unternehmen halten sich mit offiziellen Stellungnahmen zurück. Die angespannte Lage hat nach Angaben einiger Großkonzerne wie Siemens, Adidas und BASF allerdings noch nicht dazu geführt, Investitionspläne zu ändern oder zurückzufahren.

Chinas neue Seidenstraße ist in Gefahr

Hongkong ist als Finanz- und Handelsmetropole unentbehrlich für Peking. Mehr als 60 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen in die Volksrepublik laufen über Hongkong. Auch chinesische Firmen tätigen ihre Auslandsinvestitionen über Hongkong. Als Gründe dafür nennt Zenglein: „In Hongkong gibt es eine frei konvertierbare Währung, freie Kapital- und Warenflüsse und ein unabhängiges, funktionierendes Rechtssystem.“ Er weist aber auch darauf hin, dass die Bereitschaft, nach Hongkong zu gehen, rapide abgenommen habe. „An dem Tag, an dem das Militär dort einmarschiert, ist Hongkong als Handelsplatz tot“, warnt Zenglein.

Selbst der Traum des chinesischen Staats- und Parteichefs Xi Jinping, die ehemaligen und neuen Handelswege entlang der historischen Seidenstraße zu beleben, wäre in Gefahr. Über 80 Prozent der Seidenstraßenprojekt-Investitionen der chinesischen Regierung fließen noch über Hongkong. Auch haben viele chinesische Staatsunternehmen und reiche Privatleute ihr Kapital in Hongkong investiert oder untergebracht, da es dort nicht so strengen Kapitalverkehrsregulierungen unterliegt wie auf dem Festland.

Die Suche nach Alternativen beginnt

Die Unsicherheit der Anleger bildet der Hang Seng ab. Der Index der Hongkonger Börse ist seit April um mehr als 16 Prozent gefallen; der Hang Seng Properties Index, der die Immobilienbranche darstellt, ist um 19 Prozent gefallen. Je länger die Proteste andauern, desto mehr steht auf dem Spiel. Dabei galt die einstige britische Kronkolonie als Anziehungspunkt für ausländische Investoren, die jetzt immer öfter andere Standorte in Südostasien in Betracht ziehen, etwa Singapur oder Tokio.

Die Bilder von Massenprotesten sind ein herber Rückschlag für die Regierung Pekings. Gleichzeitig führt die Kommunistische Partei mit den USA einen unerbittlichen Handelskrieg und zu Hause schwächelt die Konjunktur. Die Proteste sind aber noch aus einem anderen Grund problematisch für Peking. Die „Keimstätte subversiver Ideen“ könnte zum Ende des einst von Deng Xiaoping eingeführten „Ein Land, zwei Systeme“ führen. Zwar hat die einstige britische Kronkolonie noch bis 2047 Sonderrechte, doch die führen bereits jetzt immer öfter zu unüberbrückbaren Streitigkeiten.

Die Alternativen, die Peking nun sucht, sind erste Anzeichen dafür, dass nicht mehr alles auf die Karte Hongkong gesetzt wird. Vor etwas mehr als einem Monat wurde in Schanghai eine eigene Technologiebörse eröffnet. Beim Hongkong-Nachbar Shenzhen wurden im Juli am Flughafen die internationalen Direktflüge von zuvor 50 auf 100 erhöht, um einen Ausweichort zu Hongkong zu schaffen. Am Himmel von Hongkong sieht man die Leuchtreklamen der dort ansässigen Firmen an den Hochhäusern glänzen. Sie stellten einst die Leuchttürme der Hafenstadt dar. Doch die Strahlkraft hat durch das Kräftemessen mit Peking mittlerweile deutlich nachgelassen.

Taiwans Regierung warnt seine Bürger vor einer Unterwanderung der Medien durch Peking

Die taiwanische Präsidentin Tsai Ing-wen mahnte die Bürger zur Vorsicht vor einer Unterwanderung der Medien durch China, nachdem Reuters über eine von Peking unterstützte Medienkampagne auf Taiwan berichtet hatte. Tsai erklärte am 10. August, dass der Bericht die wachsende Besorgnis über chinesische Versuche bestätige, die Presseberichterstattung auf der Insel zu beeinflussen. Eine chinesische Infiltration auf Taiwan sei allgegenwärtig und man hoffe, dass alle Bürger davor verstärkt auf der Hut seien, insbesondere vor gefälschten Nachrichten.

In dem Reuters-Bericht waren Beweise dafür aufgeführt worden, dass die chinesischen Behörden mindestens fünf taiwanische Mediengruppen für die Berichterstattung in diversen Magazinen und auf einem Fernsehkanal bezahlt hatten, um die Stimmung auf der Insel zu beeinflussen. Laut South China Morning Post ist auf Taiwan die Platzierung von Berichten mit besonderen Interessen durch Unternehmen üblich, nicht aber durch Festlandchina, welches zunehmend empfindlicher auf die Taiwan-Frage reagiert.

In einer Erklärung kündigte die regierende Demokratische Fortschrittspartei (DPP) von Tsai an, den Anschuldigungen aus dem Bericht nachzugehen. Die kommunistischen Behörden in Peking sollten die Entschlossenheit des taiwanischen Volkes, ihre Demokratie und Freiheit zu verteidigen, nicht unterschätzen.

Mit Blick auf die anstehenden Präsidentschaftswahlen im Januar 2020, wächst die Besorgnis eines zunehmenden Einflusses Chinas auf der Insel. Im Juni versammelten sich auf Taiwan tausende von Menschen, um eine Regulierung der roten Medienagenturen einzufordern und die Förderung eines China-freundlichen Kurses zu verhindern.

Seit dem Amtsantritt von Tsai im Jahr 2016 sind die Beziehungen zwischen Peking und Taipeh angespannt. Peking verdächtigt Tsai, auf die formelle Unabhängigkeit der Insel zu drängen und demonstriert daher verstärkt seine Souveränität durch Maßnahmen wie militärische Übungen.

China sieht die neue EU-Chefin Ursula von der Leyen kritisch

Die Ernennung Ursula von der Leyens zur Chefin der EU ist in China nicht so freudig aufgenommen worden. Es wird befürchtet, dass sich durch ihre Führung die Beziehungen zwischen der EU und China komplizierter gestalten könnten. Von der Leyen versprach in ihrer Amtsantrittsrede, dass sie den europäischen Weg vertrete. Sie werde sich für Multilateralismus und fairen Handel einsetzen und eine auf Regeln basierte Ordnung verteidigen.

Es wird vermutet, dass die EU unter der neuen Führung einen härteren Kurs in Bezug auf Chinas wachsenden Einfluss auf das geopolitische und wirtschaftliche Umfeld Europas einschlagen könnte. Die EU warf China vor, Europa zu spalten. China wies diese Vorwürfe vehement zurück. Chinas Plan in Europa ein 5G-Technologiegeschäft aufzubauen und Belt and Road Projekte insbesondere in den ärmeren Regionen der EU zu fördern habe auch in Brüssel Misstrauen ausgelöst.

Als Chefin der EU wird Von der Leyen für Handelsgespräche sowie die Wirtschafts- und Klimapolitik von 500 Millionen Europäern zuständig sein, ebenso wie für Kartellrechtsverfahren mit mächtigen Technologieriesen. Noch in ihrer Funktion als Verteidigungsministerin hatte Von der Leyen in einem Interview gesagt, dass China Europa gekonnt umgarne. Man übersehe oft, wie konsequent und geschickt China seine Ziele verfolge.

Laut Prof. Ding Chun vom Institut für Europastudien an der Fudan-Universität wird Von der Leyen zukünftig mehr Probleme ansprechen, die Europa mit China hat. Unwahrscheinlich sei aber, dass sie das auf so eine Art und Weise wie Donald Trump machen werde. Trump habe in der Weltordnungspolitik ein Vakuum erzeugt. Um dies zu füllen und wiederaufzubauen, wollten die EU und China zusammenarbeiten. Auch würden China und die EU weiterhin in den Bereichen Sicherheits- und Klimafragen kooperieren.

Jiang Shixue, Professor für Europastudien an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, erwartet, dass Von der Leyen als Chefin der EU eine positivere Haltung gegenüber China einnehmen wird, insbesondere angesichts der wachsenden Wirtschaftsbeziehungen.

09. September 2019

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Autor

Andreas Grünewald

Andreas Grünewald, Jahrgang 1968, Gründer und Vorstand der Münchner Vermögensverwaltung FIVV AG, befasste sich schon während seines Studiums zum Diplom-Kaufmann schwerpunktmäßig mit den Themen Kapitalmarktforschung und Finanzierung. Bereits als Student initiierte er mit 21 Jahren den Münchner Investment Club (MIC) und entwickelte diesen zu einer der größten und erfolgreichsten Anlegergemeinschaften in Deutschland. Im Anschluss an seine Tätigkeit als Wertpapieranalyst bei einer namhaften Privatbank gründete er im Jahre 1999 die FIVV AG. Die unabhängige Vermögensverwaltung betreut Privat- und Unternehmerkunden, institutionelle Anleger und Stiftungen in ganz Deutschland. Darüber hinaus gehört Andreas Grünewald seit 2005 dem Vorstand des Verbandes unabhängiger Vermögensverwalter Deutschland e. V. (VuV) an, dessen Vorsitzender er seit April 2014 ist. Er ist regelmäßig zu Gast bei Diskussionsforen und Universitäten sowie ein gefragter Interviewpartner in den Medien.

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