Das Vereinigte Königreich und Luxemburg nach dem BREXIT

Langjährige Verbündete, die sich komplementär ergänzen?

Am Donnerstag, den 23. Juni 2016, hielt die britische Bevölkerung ein Referendum darüber ab, ob das Vereinigte Königreich aus der Europäischen Union (EU) austreten oder in der EU verbleiben solle. Mehr als 17,4 Millionen Menschen (51,9 %) haben für den Austritt gestimmt – rund 38 % der Wahlberechtigten.

Nach Entscheidung der britischen Bevölkerung wurde Artikel 50 des Lissabon-Vertrags von Premierministerin Theresa May ausgelöst. Das Vereinigte Königreich soll am Freitag, den 29. März 2019, aus der EU austreten, allerdings konnten sich die Parteien bisher noch nicht auf einen Ausstiegsvertrag einigen. Mögliche Lösungen erweisen sich als sehr kompliziert – besonders, weil kaum noch Zeit bleibt.

Bestandteil des zurzeit diskutierten Austrittsabkommens ist eine 22-monatige Übergangsphase, die sogenannte „Implementation Period“. Diese soll dazu dienen, die zukünftige wirtschaftliche Zusammenarbeit der EU mit dem Vereinigten Königreich auf Basis eines Freihandelsabkommen und von entsprechenden „Äquivalenz[1]“-Entscheidungen zu regeln. Das Resultat kann sowohl ein weicher (Soft-BREXIT) wie auch ein harter (Hard-BREXIT) Schnitt werden. Unternehmen können in dieser Phase ihre Geschäfte unbeirrt fortführen („business as usual“), da die EU-Gesetzgebung trotz des Austritts von Großbritannien aus der EU weiterhin Anwendung finden wird.

Mittlerweile gehen viele Experten allerdings davon aus, dass keine Einigung (No-Deal-Szenario) erzielt wird. Dies würde bedeuten, dass das Vereinigte Königreich ohne Handelsabkommen aus der EU austreten würde und somit die Zusammenarbeit auf den Regeln der Welthandelsorganisation beruht. Die EU wie auch Großbritannien sind dabei sich auf diesen Ernstfall vorzubereiten – u.a. hat die Financial Conduct Authority (FCA), die britische Finanzaufsichtsbehörde, das Temporary Permission Regime (TPR) ins Leben gerufen. Dieses Übergangsregime für Finanzinstitute des europäischen Wirtschaftsraums, die Geschäfte in Großbritannien betreiben, soll diese bei der Beschaffung der zukünftig nötigen Genehmigungen unterstützen. Auf Seiten der EU hat die European Securities and Markets Authority (ESMA) die in Großbritannien ansässigen „Central Counterparty Clearing House“ (CCP) und „Central Securities Depository“ (CSD) vorübergehend anerkannt, um die geregelte Abwicklung von Derivatgeschäften in Europa auch im Falle eines No-Deals weiterhin zu gewährleisten.

Großbritannien und der Zugang zum europäischen Binnenmarkt

Für die Londoner City ist es sehr ungewiss, wie sich in Zukunft der Zugang zum europäischen Binnenmarkt gestalten wird. Mit dem Prozess des Austritts aus der EU gefährdet London, der weltweit führende Finanzplatz, seinen eigenen Zugang zu Unternehmen und Kunden in Europa.

Im Laufe der Verhandlungen zwischen der Regierung unter der Führung von Theresa May und der EU scheint immer wahrscheinlicher, dass Finanzinstitute mit Sitz in der Londoner City beim Verlassen der Union den bisherigen freien Zugang zum europäischen Markt verlieren werden. Dennoch wird es in der Zukunft, wie heute auch, täglich Millionen von Transaktionen zwischen Unternehmen in der EU und dem Vereinigten Königreich geben.

Für die Fondsindustrie hat das Konzept des „Product Passporting“ den Nutzen, dass ein Fonds, der in einem Mitgliedsland aufgelegt wurde, in jedem andern Mitgliedsland frei an Anleger in EU-Ländern vertrieben werden kann. Da jedes Mitgliedsland dem gleichen Regelwerk unterliegt, können verschiedene Aktivtäten des Fondssektors in unterschiedlichen Ländern erbracht werden. Das führt dazu, dass Unternehmen des Fondssektors grenzübergreifend zusammenarbeiten. So wird bspw. geschätzt, dass 16,5 % des in Luxemburg  verwalteten Vermögens britischen Vermögensverwaltern direkt zuzuordnen ist.

Sowohl die britischen als auch die EU-Regulierungsbehörden haben bereits angedeutet, dass sie daran arbeiten, Vereinbarungen zu treffen, damit die Geschäfte in einem No-Deal-Szenario fortgesetzt werden können. Am 01. Februar 2019 hat die ESMA in einer Pressemitteilung darüber informiert, dass sie und die EU-Finanzaufsichtsbehörden Memoranda of Understandings (MoUs) für den Fall eines No-Deal BREXITs mit der FCA vereinbart haben. Die britische und luxemburgische Finanzaufsichtsbehörde haben angedeutet, dass sie daran arbeiten, Vereinbarungen zu treffen, damit die Geschäfte zwischen beiden Ländern im Fall eines No-Deal-BREXITs fortgeführt werden können. Die „Commission de Surveillance du Secteur Financier“ (CSSF) hat in einer Pressemitteilung erklärt, dass sie, zusammen mit der FCA, um die Fortsetzung des bestehenden Setups zwischen Luxemburg und Großbritannien während des Übergangsregime post-BREXIT bestrebt sei. Die Regierung Luxemburgs und des Vereinigten Königreichs wollen bis zum 29. März entsprechende Gesetze auf den Weg bringen.

Die Delegation einer Investmentmanagement-, Portfoliomanagement- oder Risikomanagementfunktion an britische Unternehmen wäre auf dieser Basis auch im Falle eines No-Deal-BREXITs weiterhin ohne größere Hindernisse möglich. Andere Dienstleistungen werden in der heutigen Form hingegen nicht mehr grenzübergreifend möglich sein. Trotz der Zusicherung des Vereinigten Königreichs und der EU scheinen einige Unternehmen dennoch mit dem Gedanken zu spielen, ihren aktuellen Standort zu verlassen, London den Rücken zuzukehren und bestimmte Dienstleistungen in ein EU-Mitgliedland umsiedeln zu wollen. Dies betrifft insbesondere Handelsaktivitäten – aber auch den Vertrieb sowie die Domizilierung von Fondsgesellschaften.

Vor diesem Hintergrund ist das Großherzogtum Luxemburg als Dreh- und Angelpunkt für Europa in einer guten Position, um bestimmte Aktivitäten aufzufangen, die sich derzeit noch in London befinden. So könnte Luxemburg als führendes europäisches Zentrum für Vermögensverwaltung seine Position weiter ausbauen und zahlreiche Vermögensverwalter willkommen heißen, die ihren Sitz heute noch im Vereinigten Königreich haben. Zumindest was den Fondssektor angeht, dürften Irland und Luxemburg die größten Profiteure einer post-BREXIT Verlagerung von Funktionen und Standorten aus dem Vereinigten Königreich sein, insbesondere für den Bereich der alternativen Fondsgesellschaften. Die beiden Investmentfondsverwaltungszentren erleben, wie bereits heute einige namhafte Vermögensverwalter in ihr Land abwandern. Fondsgesellschaften wie Blackstone, M&G und T. Rowe Price haben bereits angekündigt, dass sie bestimmte Aktivitäten nach Luxemburg delegieren. Der Wettlauf um das Vermögen aus der City ist im vollen Gange.

Trotz aller Unsicherheiten steht außer Frage, dass London einer der fortschrittlichsten und am weitesten entwickelten Finanzplätze der Welt bleiben wird, und dass der BREXIT diese Tatsache nicht grundlegend ändern wird. Auch wenn Luxemburg einige neue Akteure begrüßen werden kann, werden beide Finanzplätze in vielen Bereichen weiterhin wie bisher zusammenarbeiten.

Wie werden sich die Beziehungen zwischen London und Luxemburg nach dem BREXIT darstellen?

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[1] Als eine Äquivalenz wird in diesem Zusammenhang ein unilateraler Mechanismus bezeichnet, bei dem eine Partei das Regelwerk einer anderen Partei als gleichwertig anerkennt. Die jeweiligen Parteien können weiterhin Regeln festlegen, allerdings müssen sich diese in einem bestimmten Rahmen befinden, da sonst die Gleichwertigkeit wieder aberkannt werden kann.

25. Februar 2019

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Autor

Olivier Carré

Olivier Carré ist Partner und Leiter der regulatorischen Beratung bei PwC Luxemburg. Er hat eine breite Erfahrung in der Finanzdienstleistungsbranche und vor allem in der Private Banking und Investmentfonds-Industrie. Herr Carré ist, mit seinen Kernschwerpunkten auf regulatorischen und Compliance Themen, MiFID II Leader und BREXIT-Experte. Zum Themengebiet BREXIT arbeitet er und sein Team eng mit dem PwC Netzwerk in Großbritannien zusammen, um internationalen Finanzdienstleistern bei allen Eventualitäten der BREXIT-Verhandlung zu unterstützen. Darüber hinaus hat er Kunden bei der Analyse und Umsetzung von regulatorischen Anforderungen wie AIFMD, FATCA, UCITS IV und EMIR geholfen.

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