Mario wird trotzig: Die „Goldilocks“ haben die Notenbanken im Griff – wann kommt der Exit aus QE?

Im angelsächsischen Sprachgebrauch bedeuten „Goldilocks“ Phasen mit überdurchschnittlichem Wachstum und niedriger Inflation. In dieser Phase befindet sich gerade der Euroraum – ist das nicht schön nach all den Krisenzeiten?

In diesem Szenario haben momentan nur die Notenbanken ein Problem: Wie finden sie galant den Ausstieg aus ihrer ultralockeren Geldpolitik ohne einen Crash an den Bondmärkten zu produzieren? So ein Crash könnte die konjunkturelle Aufwärtsbewegung abrupt stoppen. Die US-Notenbank FED ist in ihrem Ausstiegsfahrplan sicherlich am weitesten fortgeschritten. Nach mehreren Zinserhöhungen im vierteljährlichen Takt geht es nun um den Abbau ihrer Bilanzsumme in Höhe von ca. 4,5 Bill. USD, das heißt den Abbau von angekauften Anleihen. Ganz behutsam wird sie mit einer Reduzierung von 10 Mrd. USD pro Monat im 4. Quartal 2017 starten. Sie steuert dies durch die Verminderung der Wiederanlage von Fälligkeiten im Bestand – also ganz, ganz vorsichtig.

EZB steuert auf selbstgesteckte Obergrenze zu

„Behind the curve“ – oder besser „(schon fast) zu spät“ ist die Europäische Zentralbank (EZB): Sie nimmt am 7. September 2017 ihre Projektion für die BIP Wachstumsraten hoch, aber gleichzeitig die Inflationserwartungen runter. Die EZB hat noch kein einziges Mal die Zinsen von historisch niedrigem Niveau erhöht, kauft munter Anleihen von 60 Mrd. Euro im Monat und muss den Marktteilnehmern spätestens im Oktober erklären, was sie ab 01.01.2018 nach Ablauf des zeitlich befristeten Kaufprogramms (quantitative easing – QE) zu tun gedenkt. Mittlerweile hält die EZB über 28% aller deutschen Staatsanleihen und erreicht bald ihre selbst gesteckten Grenzen von 33% pro Emittent. Falls sie auch im Jahr 2018 in diesem Tempo weiter Anleihen kauft, wird sie trotz Änderung des Ankaufschlüssels bei deutschen, französischen, italienischen und spanischen Staatsanleihen bei ihrer selbstgesteckten Obergrenze landen. Es sollte der EZB nun nichts anderes übrig bleiben als ein „Tapering“, also das sukzessive Rückschrauben der monatlichen Bondankäufe zu verkünden. Zu allem Überfluss ist aus Sicht der EZB aber zwischenzeitlich auch noch der Euro fester geworden. Mario Draghi verhält sich in diesem Szenario aber trotzig wie ein kleines Kind und verkündet anlässlich der Pressekonferenz der EZB am 07. September 2017, die EZB könne ja sogar noch ihr monatliches Ankaufprogramm erhöhen!

Expansive Geldpolitik und kein Ende in Sicht

Es ist wirklich nicht zu fassen: Da gibt ihm die öffentliche Diskussion über die Nachteile der lange anhaltenden expansiven Geldpolitik ein gutes Zeitfenster für „Tapering-Hinweise“ und dann dieses Statement. Hat das italienische Temperament dem Präsidenten der EZB einen Streich gespielt? Normalerweise sollte die Politik einer Notenbank nur durch Fakten bestimmt sein – nicht von Emotionen. Es bleibt sein Geheimnis… Einem Weidmann an der EZB-Spitze wäre das nicht passiert!

Was macht der Anleger bis Ende 2018? Am besten Staatsanleihen zu Mondpreisen durch die EZB kaufen lassen und sich bei festverzinslichen Anleihen mal im Bereich der Mittelstandsanleihen umschauen. Hier bieten in einem Jahr fällig werdende Anleihen p.a.-Renditen von z. B. 3,8% (Emittent Lang & Cie) oder 2,7% (Emittent Ferratum).

Fazit /Expertenmeinung

Der EZB wird im Oktober nichts anderes übrig bleiben, als die sukzessive Reduzierung der monatlichen Anleihekäufe von zurzeit 60 Mrd. Euro ab Januar 2018. Ein mögliches Vorgehen wäre eine schrittweise Reduzierung dieser Summe von dann 40 Mrd. Euro auf Null, wahrscheinlich bis zum 30.09.2018. In einem Jahr wäre dann auch mit der ersten Leitzinsanhebung zu rechnen.

13. Oktober 2017

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Autor

Thilo Müller

Seit über 12 Jahren ist Thilo Müller zusammen mit Armin Stahl und Markus Stillger geschäftsführender Gesellschafter der in Limburg ansässigen MB Fund Advisory GmbH. Sein Tätigkeitsschwerpunkt ist die Betreuung institutioneller Kunden, das Co-Fondsmanagement und die Öffentlichkeitsarbeit. Er gilt als Investmentexperte mit besonderem Schwerpunkt für Aktien und war für zahlreiche Investmentbanking-Einheiten (u.a. BHF-BANK AG, Landesbank Rheinland-Pfalz) erfolgreich tätig. Seine Expertise ist bei vielen Fondsmanagern aus dem deutschsprachigen und angelsächsischen Raum in den vergangenen zehn Jahren geschätzt gewesen, bevor er auf die Investorenseite gewechselt ist.

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