Europäische Risikokapitalfonds – Die „guten“ Private-Equity-Fonds werden verbessert

Bereits seit dem 17. April 2013 existiert mit der EU-VO 345/2013 (EuVECA-VO) ein eigenständiges Regime zur Beaufsichtigung europäischer Risikokapital-Fonds. Ziel ist die Förderung von Wachstum und Innovation kleinerer und mittlerer Unternehmen durch die Bereitstellung von Finanzmitteln.

Damit nicht unterschiedliche Regelungen in den Mitgliedstaaten die grenzüberschreitende Mittelbeschaffung behindern, sollte der europäische AIF für Vereinfachung sorgen. Deswegen enthält die EuVECA-VO ein eigenständiges Registrierungsverfahren für Verwalter und Produktvorschriften für europäische Risikokapitalfonds. Dieser europäische Typus von Private-Equity-Fonds ist in der Praxis durchaus relevant geworden. Daher ist es an der Zeit, sich mit den bisherigen Schwachstellen und geplanten Anpassungen zu beschäftigen. Bereits zum 14. Juli 2016 hat die europäische Kommission einen Änderungsvorschlag veröffentlicht und das EU-Parlament den Berichtsentwurf zur Überarbeitung der EuVECA-VO (und auch der EuSEF-VO) angenommen. Am 11. Mai 2017 haben die Trilog-Verhandlungen zur Überarbeitung der EuVECA-VO begonnen, so dass mit einem finalen Entwurf Ende dieses Sommers gerechnet werden kann.

Was ist ein europäischer Risikokapitalfonds?

Risikokapitalfonds nach der 2013 eingeführten EuVECA-VO investieren nach ihren Anlagebedingungen mindestens 70% ihres Kapitals in „qualifizierte Anlagen“. Dafür müssen sie sich mit Eigenkapital bzw. mit eigenkapitalähnlichen Instrumenten an „qualifizierten Portfoliounternehmen“ beteiligen. Gesellschafterdarlehen sind auf eine Höhe von 30% beschränkt. Der sperrige Begriff des „qualifizierten Portfolio-Unternehmens“ steht für nichts anderes als für kleinere und mittlere Unternehmen. Diese auch als „KMU“ bezeichneten Unternehmen zeichnet aus, dass sie einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. EUR oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 43 Mio. EUR aufweisen. Verwalter dieser Fonds werden unmittelbar nach der EuVECA-VO registriert, also anders als etwa nach der ELTIF-VO, nicht nach der dort komplementär geltenden AIFM-Richtlinie zugelassen. Gleichwohl sind die nationalen Aufsichtsbehörden konkret für die Durchführung des Registrierungsverfahrens zuständig. Damit reihen sich europäische Risikokapitalfonds in die Reihe anderer europäischer AIF-Initiativen zur Ankurbelung der europäischen Wirtschaft ein. Danach unterstützen z.B. European Long Term Investment Funds (ELTIF) die Investition von langfristigen Vermögensanlagen, allen voran Infrastruktur-Projekte. Europäische Risikokapital-Fonds hingegen sollen helfen, verlorengegangene Arbeitsplätze durch ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zurückzubringen. Folgerichtig beruft sich die EU-Kommission in den Erwägungsgründen der EuVECA-VO auf die Ziele von „Europa 2020“.1 Europa 2020 ist eine Mitteilung der EU-Kommission im Jahr 2010 gewesen, also unmittelbar im Anschluss an die damalige Finanz- und Wirtschaftskrise. Im Editorial beschwor José Manuel Barroso den sozialen Zusammenhalt Europas. Private-Equity-Fonds, gerne verschrien als „kapitalistische Heuschrecken“, dürfen sich also in Form des europäischen Typus als Bewahrer des sozialen Zusammenhalts rühmen.

„Die EU-Kommission demonstriert beeindruckend, wie sie Kritikpunkte aus der Praxis „open-minded“ aufgreift, um Produktrecht zum Erfolg zu führen, damit sie ihr eigentliches politisches Vorhaben – Wirtschaftswachstum – erreicht.“

Tobias Moroni

Es gibt doch schon in den einzelnen Ländern Private-Equity-Fonds – wofür wurde dieser europäische Typus 2013 eingeführt?

KMU, insbesondere diejenigen, die sich noch in der Anfangsphase ihrer Unternehmensentwicklung befinden, profitieren nicht nur von der Finanzierung, sondern darüber hinaus von den Kenntnissen, Geschäftskontakten und strategischer Beratung durch die europäischen Risikokapitalfonds. Solche Venture-Capital-Fonds, auch kurz einfach VC-Fonds genannt, existieren bereits zahlreich. Das wirft die Frage auf, ob tatsächlich ein eigenständiger europäischer Risikokapitalfonds zusätzlich das Wirtschafswachstum in Europa ankurbeln kann. Diese Frage lässt sich indes mit einem Blick in die Statistiken klar mit „Ja“ beantworten. Danach fällt auf, dass die Private-Equity-Industrie in Europa im Vergleich zu Nordamerika deutlich unterentwickelt ist: Vom weltweiten Private-Equity-Markt mit über 600 Fonds und einem Volumen von ca. 1,8 Billionen USD entfallen 336 Fonds mit einem Volumen von 967 Mrd. USD auf Nordamerika, aber nur 104 Fonds mit einem Volumen von 330 Mrd. USD auf Europa.2 Letztere verfolgen wiederum auch noch andere Strategien, wie zum Beispiel Buy-Out, und nicht Venture Capital. Und sie investieren mithin nicht nur in europäische Portfolio-Unternehmen, sondern gleichsam in solche von Drittstaaten. Hierzu sind allerdings europäische Risikokapital-Fonds unter gewissen Einschränkungen gleichwohl befugt. Das Argument nach den Erwägungsgründen ist, dass hierdurch europäische Risikokapitalfonds an Attraktivität hinzugewinnen würden, was wiederum auch den europäischen KMU mehr Kapital verschafft. Kurzum: Die Idee ist, grenzüberschreitend Mittel zur Bereitstellung an KMU zu beschaffen. Entsprechend ist der EU-Vertriebspass für registrierte Verwalter an professionelle und „semiprofessionelle“ Anleger (Mindestanlage 100.000 EUR und schriftliche Versicherung, dass man sich der Risiken der Anlage bewusst ist) ein zentrales Argument zur Auflage dieser Fonds. Die Attraktivität dieses Anlagevehikels zeigt sich in der Verbreitung: Es existierten Stand April 2016 insg. 39 EuVECA-Manager, die 70 EuVECA-Fonds verwalten, wobei die aktuellen Zahlen stets auf einer eigens dafür bereitgestellten Online-Plattform der ESMA einsehbar sind. In Deutschland sind aktuell 16 EuVECA-Fonds zu verzeichnen, in Luxemburg sind 9 EuVECA-Fonds gemeldet.3

„Begrüßenswert und sicherlich zum Abbau von Hemmnissen führend ist die Abschaffung einer Doppelregistrierung.“

Dr. Philipp Wösthoff

Was soll jetzt durch die Änderungs-Verordnung angepasst werden?

Die EU-Kommission hat über diverse Konsultationen und Fachworkshops einige Schwachstellen der Verordnung identifiziert, die dazu geführt haben sollen, dass die Fonds entgegen den ursprünglichen Erwartungen doch nicht stärker in Anspruch genommen wurden. Folgerichtig ist die Kommission der Ansicht, dass die Inanspruchnahme der in der EuVECA-VO niedergelegten Möglichkeiten noch verbesserungswürdig sei. Hierbei greift sie insbesondere wesentliche Kritikpunkte aus der Praxis auf. Die diskutierten Änderungen lassen sich entsprechend anhand des Lebenszyklus des Risikokapitalfonds unterteilen.

Anfangs muss man als Verwalter von europäischen Risikokapitalfonds zugelassen werden, und zwar im Registrierungsverfahren nach der EuVECA-VO. Gerade aus deutscher Sicht ist eine wesentliche Vereinfachung dieses Registrierungsverfahrens zu begrüßen. Bislang ist in Deutschland noch eine umständliche Doppelregistrierung vorgesehen, und das entgegen dem Ziel der Verordnung zur Beseitigung von Hemmnissen zur Investition. Danach muss sich in Deutschland der angehende Verwalter als EuVECA-Manager und als „kleiner AIFM“ registrieren lassen. Diese Doppelregistrierung führt nicht nur zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand, sondern impliziert zugleich einen erhöhten Kostenaufwand zu Lasten des Managers. Art. 14 Abs. 3b des Entwurfs der Verordnung sieht nun vor, dass eine Registrierung nach der EuVECA-VO auch eine Registrierung nach Art. 3 Abs. 3 der AIFM-Richtlinie (§ 44 KAGB) darstellt. Ferner ist die Kommission der Ansicht, dass das Verfahren zeitlich durch die Einziehung einer fixen Zweimonatsfrist zu straffen ist. Hierbei gilt jedoch, dass die Zweitmonatsfrist erst zu laufen beginnt, wenn der Manager sämtliche in Art. 14 Abs. 1 EuVECA-VO-E genannten Informationen der zuständigen Behörde bereitgestellt hat (Vollständigkeit der Unterlagen). Die Kommission hat überdies erkannt, dass Verwaltern von Portfolien über 500 Mio. EUR bislang die Verwendung der Bezeichnung EuVECA verwehrt ist. Anpassungsbedarf sieht sie hier dennoch nicht, sodass es wahrscheinlich dabei bleibt, dass die EuVECA-VO kleine Verwalter mit Portfolien von weniger als 500 Mio. EUR abdeckt. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass nach der geplanten Neufassung des Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 des Entwurfs nach der AIFM-Richtlinie zugelassene OGAW-Manager, die qualifizierte Risikofondsportfolien verwalten, die Möglichkeit erhalten sollen, bei dem Vertrieb dieser Produkte den Namen EuVECA verwenden zu dürfen.

Für die Investitionsphase soll nun eine Ausweitung der Eligible Assets (zulässige Vermögensgegenstände) durch eine Anpassung der Definition des „qualifizierten Portfoliounternehmens“ erreicht werden. Während sich ein „qualifiziertes Portfoliounternehmen“ im Sinne des Art. 3 lit. d) der EuVECA-VO unter anderem dadurch auszeichnet, dass weniger als 250 Personen dort beschäftigt sind, sieht die Neufassung (Art. 3 lit. d) i) EuVECA-VO-E) vor, dass „qualifizierte Portfoliounternehmen“ solche Unternehmen sind, die weniger als 500 Personen beschäftigen und zum Zeitpunkt der Erstinvestition nicht börsennotiert oder an einem KMU-Wachstumsmarkt notiert sind. Geklärt ist nach dem Vorschlag der Kommission nun auch, dass sog. Follow-on-Investitionen möglich sind, obgleich eine mögliche Überschreitung der Grenzwerte vorliegt, da es hinsichtlich der Schwellenwerte auf den Zeitpunkt der Erstinvestition ankommen soll.

Die Kommission hat weitere Schwachstellen der EuVECA-VO im Vertrieb ausgemacht. Einige Behörden erheben für den grenzüberschreitenden Vertrieb von EuVECA-Fonds Gebühren, wobei diese zwischen 300 EUR und 3.000 EUR pro Jahr liegen. Ebenso hat die Überprüfung der Kommission ergeben, dass einige Mitgliedstaaten bereits zu Beginn des grenzüberschreitenden Vertriebes einmalige Gebühren im gleichen Spektrum erheben. Das die von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich gehandhabte Gebührenpraxis einer Attraktivitätsbremse gleicht, liegt auf der Hand. Diesem Treiben soll durch die Neufassung des Art. 16 EuVECA-VO-E Einhalt geboten werden. Explizit wird in dem im Entwurf vorliegenden Art. 16 Abs. 2 EuVECA-VO bestimmt, dass die zuständigen Behörden keine Gebühren oder Abgaben verlangen dürfen. Kritisiert wurde auch der Umstand, dass aufgrund der Mindestanlagesumme von 100.000 EUR klassische Privatanleger als Kunden von EuVECA-Fonds faktisch ausscheiden. Die Kommission hat diese Kritik zwar zur Kenntnis genommen, aber darauf verwiesen, dass nichtprofessionellen Anlegern eine Reihe alternativer Investitionsinstrumente zur Verfügung stünden (namentlich Crowdfunding, Börsengänge etc.), über welche Investitionen in KMUs getätigt werden könnten. Mit einer Senkung der Mindestinvestitionsgrenze ist also nicht zu rechnen. Insofern ist hier der Unterschied zu den Vertriebsmöglichkeiten etwa von ELTIF frappierend, da diese sogar an Privatanleger vertrieben werden dürfen. Scheinbar besteht gegenüber Venture Capital (immer noch) ein gewisser Vorbehalt, sodass man ihn nur in den Händen besonders sachkundiger Investoren sehen möchte. Dies erscheint eine recht konservative Ansicht zu sein. Heute dürfen sogar in Deutschland VC-Fonds als geschlossene Publikums-AIF an Privatanleger vertrieben werden (vgl. § 261 Abs. 1 Nr. 4 KAGB).

Aktueller Stand und Aussicht

Der von der Kommission im Sommer 2016 vorgelegte Entwurf befindet sich seit Anfang Mai nun in der Endabstimmung, dem sogenannten Trilog. Trilog bezeichnet im europäischen Rechtskontext ein informelles Treffen zwischen den im gesetzgebenden Prozess der EU maßgeblichen Institutionen, namentlich der Europäischen Kommission, dem Rat und dem Europäischen Parlament. Die Kommission hat im Juli 2016 ihren Änderungsvorschlag veröffentlicht, der Bericht des Europäischen Parlaments stammt vom 30. März 2017. Das Parlament hat sich in seinem Bericht und dem darin enthaltenen Entwurf einer legislativen Entschließung (des Europäischen Parlaments) den wesentlichen Änderungsvorschlägen aus dem Vorschlag der Kommission angeschlossen.

Es bleibt abzuwarten, welches Ergebnis die nun anstehenden Trilog-Verhandlungen mit sich bringen. Konstatiert werden kann bereits an dieser Stelle, dass die von der Kommission unterbreiteten Änderungsvorschläge geeignet sind, EuVECA-Fonds weiter zu verbreiten und in ihrer Attraktivität zu steigern, da – zwar nicht alle, aber doch einige – zu Beginn übliche „Kinderkrankheiten“, wie insbesondere die doch recht engmaschige Definition des „qualifizierten Portfoliounternehmens“ oder aber auch die hinderliche Doppelregistrierung aller Voraussicht nach eingedämmt werden. Über die von der ESMA bereitgestellte Plattform lässt sich in jedem Fall verfolgen, ob die Änderungen der Verordnung den gewünschten Erfolg hervorrufen.

1 EU-Kommission mit der Mitteilung vom 3.3.2010: „Europa 2020: Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“.

2 Preqin Quarterly Update: Private-Equity & Venture Capital, Q1 2017, S. 6.

3 Online Datenbank der ESMA (jeweils unter zuständige Behörde – BaFin, CSSF abgerufen), abrufbar unter: https://registers.esma.europa.eu/publication/searchRegister?core=esma_registers_euveca

14. Juni 2017

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Zusammengefasst
  • Europäische Risikokapitalfonds verschaffen kleineren und mittleren Unternehmen – grenzüberschreitend – das notwendige (Eigen-)Kapital für Innovation und Wachstum.
  • Die Verbreitung dieses Fonds soll durch Beseitigung von Hemmnissen erreicht werden; genau hier soll die Änderungs-VO ansetzen und praktische Kritikpunkte aufgreifen.
  • Betroffen sind insbesondere „Kinderkrankheiten“ betreffend das Registrierungsverfahren, die Ausweitung der Eligible Assets sowie des Vertriebs.
  • Es besteht weiterhin wegen der Verwendung zahlreicher unbestimmter Rechtsbegriffe Auslegungsspielraum auf nationaler Ebene. Dies steht im Widerspruch zu einer einheitlichen Handhabung auf EU-Ebene für eine stärkere Verbreitung dieses Vehikels (trotz des Harmonisierungswerkzeugs der Verordnung).
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Europäische Risikokapitalfonds

Europäische Risikokapitalfonds sollen Hemmnisse beseitigen, kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) Kapital für Innovation und Wachstum – grenzüberschreitend – zu verschaffen. Die EU-Kommission forciert weiterhin diesen europäischen Typus eines Venture-Capital-Fonds, indem sie erstaunlich offen Kritik-Punkte aus der Praxis angeht. Es ist zu erwarten, dass europäische Risikokapitalfonds ihren bereits eingeschlagenen erfolgreichen Weg weiter gehen.

Autor

Tobias Moroni

Tobias Moroni ist Mitglied des Executive Board des Bankhauses und Sprecher des Executive Board Asset Servicing. Zuvor war er Leiter Real Assets Deutschland ebenfalls bei Hauck & Aufhäuser Privatbankiers AG sowie davor Leiter Depotbank-Legal bei der Depotbank von Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG & Co. KGaA. Tobias Moroni ist Rechtsanwalt und referiert und veröffentlicht regelmäßig über aufsichtsrechtliche Entwicklungen.

Autor

Dr. Philipp Wösthoff

Dr. Philipp Wösthoff ist Syndikus bei Hauck & Aufhäuser Privatbankiers AG. Er berät die Bank in bank- und kapitalmarkt- wie auch aufsichtsrechtlichen Belangen. Zuvor war Dr. Wösthoff Leiter Real Assets Deutschland bei Hauck & Aufhäuser. Er ist Rechtsanwalt und war zuvor in dieser Funktion in Frankfurt und Bonn tätig. Zudem veröffentlicht er regelmäßig Fachbeiträge, insbesondere zu aufsichtsrechtlichen Entwicklungen.

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