Make LUV, Not War

Vergessen die Zeiten, in denen tagein, tagaus über den Handelskrieg zwischen den USA und China zu lesen war. Vergessen die Zeiten, als der Brexit auf Dauersendung war. Seit Ankunft des schwarzen Corona-Schwans dreht sich an den Kapitalmärkten alles nur noch um die Frage, ob die Weltwirtschaft in Form eines L, U oder V ihren Rückgang beenden und wieder anspringen wird. Das bereits kann man als Zeichen von Optimismus unter Kommentatoren und Kapitalmarktteilnehmern werten. In dieser angespannten Lage ging am 16. März ein Asset-Management-Unternehmen an die Börse, und zehn Tage nach dem IPO steht die Aktie, den globalen Aktienkurseinbrüchen zum Trotz, im Plus. Wie kann das sein?

Quelle: Euroswitch, Morningstar. Stand: 26. März 2020. Die vergangene Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für zukünftige Erträge und im Zeitverlauf nicht konstant.

Nach dem dramatischen Jahr 2018, in dem auf Dollarbasis nahezu alle Anlage- und Subanlageklassen negativ rentierten, ging es für die Branche 2019 darum, die niedrige Asset-Basis wieder anzuheben und die Ertragslage zu verbessern. In der Tat lagen am 31. Dezember 2019 die Assets under Management (AuM) der 77 börsennotierten Asset-Management-Unternehmen, die das Dolphinvest Global Asset Managers Barometer erfasst, mit einem Plus von 12% (Median) bzw. 17% (Durchschnitt) über denen des Vorjahres. Dazu trugen überwiegend freundlichere Kapitalmärkte und darüber hinaus auch die eine oder andere M&A-Aktivität bei. Ein nennenswertes organisches Wachstum fand indes nicht statt. Im Jahr 2019 gab es zwar mehr Asset-Management-Unternehmen mit positiven Wachstumsraten als 2018. Das organische Wachstum 2019 betrug allerdings nur enttäuschende 0,3% (Durchschnitt) bzw. 0,6% (Median) gegenüber 1,7% (Durchschnitt) bzw. minus 0,6% (Median) im Vorjahr (Quelle: eigene Berechnungen). Vor diesem Hintergrund entschied sich die südafrikanische Bank Investec zu einem Spin-off der Asset-Management-Einheit im Rahmen eines IPO. Der Börsenneuling firmiert seit dem IPO unter dem Namen Ninety One und ist in London und Johannesburg gelistet.

Drei Schwalben machen noch keinen Sommer

Noch erfreulicher verlief bislang das laufende Jahr für die Aktionäre des US-amerikanischen Asset-Management-Unternehmens Legg Mason. Die Aktie explodierte förmlich, als Franklin Templeton Übernahmegerüchte bestätigte. Seither konnte die LM-Aktie angesichts eines sicheren Kaufangebotes allen widrigen Börsenentwicklungen trotzen und sich auf hohem Niveau halten. Die Aktie des Schweizer Vermögensverwalters VZ Holding AG lag bei plus 9,8% für das laufende Jahr (auf Euro-Basis, Stand: 26. März 2020). Dass das Unternehmen mit jeweils 12% 2018 und 2019 ein überdurchschnittliches organisches Wachstum verzeichnete, dürfte für den großen Abstand zum Gros der anderen Asset- und Wealth-Manager gesorgt haben (Quelle: Euroswitch, Morningstar, eigene Berechnungen, Stand: 26. März 2020).

Das für die Investmentbranche typische hohe Beta spiegelt sich in den Wertentwicklungszahlen klar wieder. Rund 85% der Asset-Manager-Aktien liegen seit Jahresbeginn unter dem MSCI All Countries World Index. Innerhalb der Gruppe der 77 börsennotierten Asset-Manager wurden insbesondere jene mit unterdurchschnittlichen Wachstumsraten vom Markt abgestraft. Zu den Peergroup-Underperformern hinsichtlich Nettomittelzuflüssen und Performance der eigenen Aktie zählen Häuser wie Jupiter und Invesco. Outperformer sind u. a. Amundi und Blackrock (auf Euro-Basis, Stand: 26. März 2020). Auffällig ist das gute Abschneiden von Asset-Managern, die sich auf das Geschäft in den Private Markets spezialisiert haben. Beispiele für diese Gruppe sind Blackstone und Partners Group. Ihre sehr guten Wachstumsraten und robusten Margen, die nicht vom ETF-Preisdruck bedroht sind, sowie die jahrelangen Lock-ups in den geschlossenen Fonds der Private-Markets-Spezialisten lassen die Aktien dieser Anbieter im Peergroup-Vergleich outperformen, können sie aber nicht gegen die Marktverwerfungen immunisieren.

Stunde der Wahrheit

Quelle: Euroswitch, Morningstar. Stand: 26. März 2020. Die vergangene Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für zukünftige Erträge und im Zeitverlauf nicht konstant.

Aber nicht nur gegenüber dem breiten Markt underperformt seit kurzem die Gruppe der börsennotierten Asset-Manager. In der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts lief die Investmentbranche dem breiten Markt und der Finanzindustrie noch davon. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts drehte sich das Bild indessen: Der breite Markt holte beständig auf, und das Kräftemessen der Asset-Manager mit der übrigen Finanzindustrie um die Investorengunst verlief in einem deutlichen Auf und Ab. 2020 erlebt nun eine massive Underperformance der Finanztitel insgesamt gegenüber dem breiten Markt, und innerhalb der Finanzbranche liegen Asset-Management-Titel deutlich hinter den anderen Finanzwerten. In Zeiten der 2020er Krise spekuliert der Markt möglicherweise darauf, dass Banken und Versicherer systemrelevanter als Asset-Manager sind, im Notfall also staatlicherseits unterstützt werden und somit vergleichsweise bessere Aussichten haben als Asset-Manager. Ob diese Aktienkurs-Konstellation, wie sie sich im Übrigen im Jahr 2016 schon einmal darstellte, auf Sicht der kommenden Monate anhalten wird, hängt im Wesentlichen von der Entwicklung an den internationalen Kapitalmärkten ab. Was das Kreditausfallrisiko für Banken ist bzw. das Langlebigkeitsrisiko für Lebensversicherungen, ist das Kapitalmarktrisiko für Asset-Manager – und dies in doppelter Hinsicht: Gute Börsenjahre lässt die AuM steigen und lockt zugleich neue Kundengelder an. In schlechten Börsenjahren hingegen fallen Fondspreise und AuM, und zusätzlich ziehen Kunden ihre Gelder ab. Die Leistung des Fondsmanagers, die Generierung von Alpha im aktiven Falle bzw. ein niedriger Tracking Error im passiven, kann grundsätzlich diesem Herdenverhalten nur bedingt etwas entgegensetzen. Im Showdown mit passiven ETFs werden aktive Fondsmanager in der aktuellen Krise allerdings unter Beweis stellen müssen, dass sie einen Mehrwert für Kunden stiften können. Anderenfalls droht ihnen endgültig das Schicksal der Dinosaurier.

Hoffnungsschimmer?

Quelle: Zeit Online.

Lebensversicherer müssen sich, soviel lässt sich zynisch anmerken, über eine längere Lebenserwartung ihrer Klientel derzeit kaum Sorgen machen. Banken dürften sich so lange sicher wähnen, wie Regierungen und Zentralbanken notleidenden Unternehmen mit Bargeld unter die Arme greifen, um eine Pleitewelle und damit Kreditausfälle zu verhindern. Asset-Manager hingegen stehen mit ihrem Kapitalmarktrisiko für eine ungewiss lange Dauer ungeschützt im kalten Wind. Ob die alte Börsianer-Weisheit, dass Rezessionsjahre gute Aktienjahre sind (= sein können), auch dieses Mal zutrifft, wird sich noch herausstellen müssen, aber dass die Rezession bereits vor dem Corona-Virus im Anflug war, ist unstrittig. Wer weiß, vielleicht wird sich die Entscheidung von Investec, Ninety One genau in dieser Zeit an die Börse gebracht zu haben und nach dem IPO an Ninety One beteiligt zu bleiben, im Nachhinein als Lehrstück für Anleger erweisen.

 

15. April 2020

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Autor

Michael Klimek

Michael Klimek, Jahrgang 1960, ist Geschäftsführer der Vermögensmanagement Euroswitch und der Dolphinvest Consulting GmbH, beide mit Sitz in Frankfurt am Main. Der studierte Islamwissenschaftler und Amerikanist begann seine mittlerweile mehr als 25 Jahre zählende Karriere in der Finanzbranche bei Fleming Asset Management im Bereich Institutional Sales. Das Deutschland-Geschäft von Invesco baute er ab 1997 als Geschäftsführer auf, war von 2002 an Co-Deutschlandchef von Goldman Sachs Asset Management und leitete ab 2006 drei Jahre lang den Nahost-Vertrieb von cominvest. Die 2009 gegründete Dolphinvest Consulting GmbH (vormals Klimek Advisors) ist der Anlagevermittlungsarm der Euroswitch und bietet darüber hinaus mittelständischen Kunden honorarbasierte Anlageberatung.

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