Bedeutende Innovationen kommen in Zyklen

Die Entwicklung von Krebsmedikamenten befindet sich derzeit in einem fundamentalen Umbruch – ähnlich vergangener Umbrüche in anderen Industrien.

Basierend auf der Entschlüsselung des menschlichen Genoms werden heute Medikamente zielgenauer und auf den Patienten zugeschnitten, was zu verbesserter Wirkung und schnellerer Entwicklung führt. Nextech Invest, eine Züricher Venture-Capital Firma mit Fokus auf der Onkologie, ist bestrebt, in diesem Umbruch die besten Investitionsmöglichkeiten in Firmen zu identifizieren, die an der Entwicklung sogenannter Präzisionsmedizin in der Onkologie arbeiten.

Innovative Durchbrüche lösen Zyklen aus wirtschaftlichem Aufschwung, Wohlstand und Depression aus, die als Kondratieff-Zyklen bekannt sind. Eine bahnbrechende wissenschaftliche oder technologische Entdeckung – häufig auf der Grundlage akademischer Forschung – setzt einen neuen Zyklus und eine anschließende Phase wirtschaftlichen Wachstums in Gang. Zu den innovativen Durchbrüchen, die tiefgreifende Auswirkungen auf die Gesellschaft hatten, gehören die Erfindung des Rads, der Dampfmaschine, der Eisenbahn, der Elektrizität, des Computers und in neuerer Zeit die Erstellung einer detaillierten Karte des menschlichen Genoms (der DNA-Bauplan des menschlichen Lebens). Im Laufe der Zeit hat sich die Dauer der Innovationszyklen verkürzt und heutzutage ist die Gesellschaft ständig bahnbrechenden technologischen Veränderungen ausgesetzt.

Abbildung 1: Kondratieff-Zyklen sind Wellen disruptiver Innovationen, die mit zunehmender Geschwindigkeit auftreten. Die Zyklen werden durch Schlüsselerfindungen ausgelöst, von denen einige aufgeführt sind.

Umfasste der erste Zyklus noch 60 Jahre, so war der Zyklus von der Entdeckung der Elektronik bis zur Entdeckung von Technologien zur Entschlüsselung des menschlichen Genoms bereits 20 Jahre kürzer. Die zunehmende Geschwindigkeit bietet zwar Chancen, allerdings ist es für die Beteiligten bestimmter Branchen von entscheidender Bedeutung, die nächste Welle nicht zu verpassen. Im Jahr 2001 ermöglichte eine Welle wissenschaftlicher und technologischer Durchbrüche die vollständige Sequenzierung des menschlichen Genoms. Dieser Kraftakt, der mit 3 Milliarden US Dollar öffentlicher Gelder finanziert wurde, hat nicht nur Einblicke in die zentralen Bausteine menschlichen Lebens ermöglicht, sondern auch das Fundament für öffentliche und private Initiativen gelegt, die den Kosten- und Zeitaufwand der Genomsequenzierung verringert haben.

Kürzere Dauer von Innovationszyklen

Diese Initiativen waren so erfolgreich, dass der Rückgang der Sequenzierungskosten häufig mit dem von Gordon Moore beobachteten Vorgang verglichen wird, dass sich mit jeder Verdoppelung der Rechenleistung von Computern ihr Preis halbiert. Im Jahr 2007 beliefen sich die Kosten für die Sequenzierung eines Genoms auf 10 Millionen Dollar. 2012 sanken sie dramatisch auf 10.000 Dollar – hauptsächlich dank der Einführung einer neuartigen Sequenzierungstechnologie, die unter dem Namen Next Generation Sequencing (NGS) bekannt ist. Heute müssen Sie für die Sequenzierung Ihres eigenen Genoms noch etwa 1.000 Dollar bezahlen. In der Onkologie hat dieser Preisrückgang die Sequenzierung und Analyse von Krebs-Genomen in massivem Umfang ermöglicht. Damit einhergehend konnte die Präzisionsmedizin die individuell auf den Patienten zugeschnittene Krebsbehandlung zur Realität werden lassen.

Fortschritt durch Entdeckungen

In der Pharmaindustrie hat die Erschwinglichkeit der Genomsequenzierung auch zu einem Paradigmenwechsel bei der Erforschung und Entwicklung von Medikamenten geführt: Die Zeit bis zur Marktzulassung wurde verkürzt und es konnten neue hochwirksame und zielgerichtete Therapeutika entwickelt werden. In der Pharmaindustrie fungieren Wellen innovativer, wissenschaftlicher und technologischer Entdeckungen auch als Fortschrittsmotor für das Design und die Entwicklung von Therapeutika.

Eine Reihe fortschrittlicher Biotechnologie- und Pharmaunternehmen hat die Welle von Entdeckungen und innovativen Durchbrüchen des letzten Jahrzehntes genutzt, die die Entwicklung therapeutischer Antikörper ermöglichten. Hierbei handelt es sich um ein Konzept, das auf einer Nachahmung des natürlichen Abwehrsystems des Körpers beruht. Entwickelt wurden diese antikörperbasierten Therapien auf der Basis von Forschungen, die bereits in den 1970ern durchgeführt wurden. Diese bildeten die Grundlage für das Design und die Herstellung von Antikörpern, die Proteine auf der Zelloberfläche erkennen und an diese binden. 1986 hat die FDA (US Food and Drug Administration) den ersten therapeutischen Antikörper zugelassen, der CD3 angreift, ein Protein, das für die Aktivierung der Immunreaktion benötigt wird, um die Organabstoßung nach einer Transplantation zu vermindern. In der Onkologie werden therapeutische Antikörper eingesetzt, die an Proteine binden, die auf Tumorzellen (und nicht auf normalen Zellen) vorkommen, und dadurch die Wachstumssignale der Zellen „abschalten“. Diese Welle war überaus erfolgreich, und im Jahr 2020 wird es etwa 70 monoklonare Antikörperprodukte auf dem Markt geben, die einen Jahresumsatz von nahezu 125 Milliarden Dollar generieren.

Immunonkologie auf dem Vormarsch

In den letzten zehn Jahren sind Milliarden an Forschungsgeldern in das Feld der Onkologie geflossen. Die neueste Welle, der wir uns gegenübersehen, ist unzweifelhaft die Immunonkologie. Anstatt den Tumor direkt zu bekämpfen, wird in der Immunonkologie das menschliche Immunsystem dazu gebracht, den Tumor auf ähnliche Weise anzugreifen und zu vernichten wie Bakterien oder Zellen, die mit einem Virus infiziert sind. In manchen Fällen gelingt es, das Immunsystem zu einem Angriff auf den Tumor zu mobilisieren, und in anderen Fällen benötigt ein bereits „erschöpftes“ Immunsystem eine Stimulierung. Immun-onkologische Therapien beinhalten Antikörper, Impfstoffe und genetisch veränderte Immunzellen zur Bekämpfung von Tumoren. Diese Therapien bieten Patienten einen erheblichen Nutzen. Es besteht kein Zweifel daran, dass immun-onkologische Therapien die Art, wie wir Krebs behandeln, revolutionieren und diese Revolution sollte man nicht verpassen.

16. August 2016

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Autor

Dr. Alfred Scheidegger

Dr. Alfred Scheidegger

Bevor Alfred Scheidegger 1998 die Nextech Invest Ltd. gründete, war er Geschäftsführer und Mitglied der Schulleitung der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, Schweiz. Zuvor war er als erster Direktor des Schweizerischen Supercomputing Centers (CSCS) tätig und Leiter eines internationalen Drug Discovery Projektes bei Ciba-Geigy (heute Novartis), Japan. Er ist Mitinitiator von Venture 98, dem ersten Schweizer Business-Plan-Wettbewerb. Scheidegger hält einen Doktortitel in Biochemie und Mikrobiologie der Universität Basel, Schweiz, hat einen Postdoc in Enzymologie an der Universität Kyoto, Japan, sowie ein Executive-Trainingsprogramm an der Harvard Business School, USA absolviert. Alfred Scheidegger war oder ist im Board of Directors von zahlreichen Unternehmen, z.B. Agensys, Inc., MacroGenics, Inc., Ganymed Pharmaceuticals Ltd., Molecular MD Corp., Dottikon ES Holding AG.

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