Debt Funds: Eine Alternative zu etablierten luxemburgischen Produkten?

Die geänderte Verwaltungspraxis der BaFin vom 12. Mai 2015 (Gz. WA 41-Wp 2100 – 2015/0001) sowie deren Kodifizierung in das KAGB anlässlich des OGAW-V-Umsetzungsgesetzes (BGBl. I 2016, 348) gibt Anlass, kritisch zu fragen, wie das Regulierungswerk in der Industrie angenommen wird.

Ob Nachfrage im Kreditgeschäft besteht, scheint sich in den jeweiligen Nischen sehr unterschiedlich zu beurteilen. Dabei zeigt sich wieder einmal, wie groß der Einfluss des regulatorischen Rahmens auf die Nachfrage ist. Tobias Moroni gab bereits im Frühjahr (Artikel Debt bzw. Loan Funds – März 2016) einen Ausblick und berichtet jetzt über die aktuellen Entwicklungen.

Politisches und regulatorisches Big Picture: Diversifizierung des Finanzierungssystems

Der europäische Regulator ist entschlossen, die bankenunabhängige Finanzierung im europäischen Wirtschaftsraum voranzutreiben. Es geht letztlich darum, die Europäische Union wieder auf einen nachhaltigen Wachstumskurs zurückzuführen. Dies gelingt aber nicht ohne die Umleitung von Ersparnissen in langfristige Investitionen in Produktivkapital wie langlebige Sachanlagen und immaterielle Vermögenswerte. Die EU-Kommission hatte schon im Arbeitsprogramm vom 23. Dezember 2012 (COM (2012) 629) dieses wichtige Thema vorab adressiert. Die – jedenfalls unter regulatorischen Gesichtspunkten – eigentliche Debatte eröffnete sie anschließend im Grünbuch zur langfristigen Finanzierung der Europäischen Wirtschaft vom 25. März 2013 (COM/2013/0150). Klar ist zwar danach, dass sich Banken hierfür weiterhin schon aufgrund ihrer Kompetenz bei der Risikobewertung, Kenntnis des Kunden und der Nähe zu diesem empfehlen. Genauso klar ist aber auch, dass sie aufgrund der Nachwehen der Finanzkrise – insbesondere Bilanzverringerungen aufgrund der einschneidenden Eigenkapitalregulierung – diese Aufgabe nicht mehr allein federführend erfüllen können.

Die jüngsten europäischen Initiativen zielen daher in diesem Zusammenhang auf eine Diversifizierung des Finanzierungssystems ab, was übergeordnet unter dem Begriff der „Kapitalmarktunion“ diskutiert wird. Erstes Ziel ist die Verbesserung des direkten Zugangs zum Kapitalmarkt, zweites die Einbindung Institutioneller in die Finanzierung langfristiger Vermögenswerte. Auf Letzteres gehen die jüngsten europäischen Initiativen wie z.B. die der ELTIF-VO oder die der Privilegierung der Eigenmittelanforderungen bei Infrastrukturinvestitionen (vgl. die zum 2. April 2016 in Kraft getretene Änderungsverordnung zur Level-2 Durchführungsverordnung von Solvency II) zurück.

„Luxemburg wird weiterhin bei Kreditvergabe-Fonds die maßgebliche Rolle spielen, hingegen bei krediterwerbenden Fonds durch Deutschland zumindest überhaupt einmal neuen Wettbewerb bekommen.“

Zitat Tobias Moroni

Viel Licht (Darlehenserwerb) und viel Schatten (originäre Darlehensvergabe) in Deutschland

Daher könnten Investmentfonds, die in Darlehen investieren, nun auch in Deutschland Rückenwind bekommen. Sie könnten davon profitieren, dass die AIFM-RL keine Produktbestimmungen vorsieht, also jedenfalls von europäischer Seite aus alle Gestaltungsmöglichkeiten an die Hand gegeben werden. Jedoch darf man bei europäischen Initiativen hierzulande nicht die Rechnung ohne den Wirt bzw. den Gesetzgeber machen. Früh hat sich nämlich wieder einmal abgezeichnet, dass Deutschland seiner Linie treu bleibt und im Vergleich zu seinen Nachbarn entschlossen auf das Regulierungspedal drückt. Die vom Gesetzgeber nun eingeführten Änderungen betreffen insbesondere die allgemeinen offenen (§ 282 KAGB) Spezialfonds, die mit festen Anlagebedingungen (§ 284 Abs. 2 lit. i) KAGB) und die geschlossenen Spezial-AIF (§ 285 KAGB).

So ist die originäre Darlehensvergabe nur unter restriktiven Bedingungen gestattet. Ausschließlich geschlossene Spezialfonds dürfen Darlehen ausreichen, und dies ausschließlich an Nicht-Verbraucher, vgl. § 285 Abs. 1 Ziff. 1 u. 2 KAGB. Außerdem muss auch hier der Grundsatz der Risikomischung beachtet werden. Der Gesetzgeber scheint Darlehensvergabe-AIF mit großem Misstrauen zu begegnen. Denn dieser AIF darf nur bis zur Höhe von 30% seines aggregierten eingebrachten Kapitals und noch nicht eingeforderten zugesagten Kapitals Kredite aufnehmen. Ausweislich der Gesetzesbegründung dient diese Restriktion dazu, das Kreditwachstum einzuschränken und die Risiken zu minimieren. Zweifelhaft bleibt daher, ob hiermit diese starken equity-gestützten Investmentfonds einen signifikanten Beitrag zur europäisch gewollten Öffnung der Nichtbankenfinanzierung leisten können. Die Bedenken des Gesetzgebers stützen sich auf Bedenken, denen das Gesetz bereits an anderer Stelle begegnet.

Schließlich müssen sich die KVGen nach der neuen Vorschrift von § 29 Abs. 5 a) KAGB beim Risikocontrolling doch sehr an die bei Banken üblichen Prozesse anlehnen. Daraus folgt, dass sicherlich weiterhin die europäischen Nachbarn das Geschäft machen werden – Luxemburg zum Beispiel. Dort sind nicht umsonst 70% der Manager der größten dieser Fonds domiziliert. Ferner spricht für den luxemburgischen Finanzstandort die große Auswahl an Investmentvehikeln. Zu nennen sind Spezialfonds, nicht regulierte Fonds, ferner zukünftig der unregulierte Fonds RAIF mit reguliertem Manager.

Ein erfreulicheres Bild ergibt sich hingegen bei der anderen Form der Investition in Darlehen: dem Darlehenserwerb. Die Regelungen zeigen sich hier freigiebiger. Die Anlagevorschriften von den allgemeinen offenen Spezialfonds (§ 282 Abs. 2 S. 1 KAGB) sowie geschlossenen Spezialfonds (§ 285 Abs. 1 KAGB) statuieren nur, dass für ins Auge gefasste Vermögensgegenstände, also hier die Darlehen, ein Verkehrswert ermittelbar sein muss. Dies ist keine Schwierigkeit, so dass mangels Anlagegrenzvorschrift bis zu 100% des Wertes des Fonds in Darlehen investiert werden dürfen. Für offene Spezialfonds mit festen Anlagebedingungen ist der Erwerb unverbriefter Darlehensforderungen sogar explizit gestattet, vgl. § 284 Abs. 2 lit. i) KAGB. Bei Letzterem hat sich der Gesetzgeber glücklicherweise von seinem ursprünglichen Vorhaben distanziert, wonach offene Spezialfonds mit festen Anlagebedingungen nur 50% ihres Wertes in Darlehen investieren durften. Ferner ist die Rechtsunsicherheit beseitigt, wonach Restrukturierungen von Darlehen nicht mehr dem Darlehensvergabeverbot unterfallen sollen. Die Entscheidung gegen die vorgenannte Anlagegrenze wahrt die Tauglichkeit des Darlehenfonds als deutsches Fondsprodukt für Institutionelle. Schließlich gestattet die für weite Teile der institutionellen Anlegerschaft immer noch geltende Anlageverordnung insbesondere die Anlage in offene Spezialfonds mit festen Anlagebedingungen, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 16 AnlV.

Gibt es einen deutschen Markt?

Wenn zwar aufgrund des regulatorischen Korsetts in Deutschland kreditvergebende Spezialfonds nicht nachgefragt werden, zeigt sich dafür in manchen Nischen bei den krediterwerbenden Spezialfonds Interesse. Beispielsweise gilt dies bei sogenannten Senior Loans seitens Versicherern und Depot-A-Managern. Senior Loans bestechen durch gutes Rating, große Abschnitte und einen fixen Zins. Dabei weisen sie im Vergleich zu Pfandbriefanleihen attraktivere Renditen auf. Zur Bedienung dieser Nachfrage scheinen die KVGen mit eigener Bankmutter sehr gut aufgestellt zu sein, da sie auf keinen Loan Agent angewiesen sind. Ferner zeigt sich Interesse bei Fonds, die in Bridge-Finanzierungen investieren. Da es hier nicht einen Wettbewerbsdruck wie bei den langfristigen Finanzierungen gibt, bieten Immobilienprojekte jenseits des Core-Segments das vorteilhaftere Verhältnis zwischen Finanzierungsangebot und -nachfrage. Entsprechend sind die Aussichten auf höhere Rendite besser.

Ergebnis

Die Öffnung der Kreditvergabepraxis durch Investmentfonds scheint dem Gesetzgeber keine Herzensangelegenheit gewesen zu sein. Jedenfalls hat er mit den von ihm eingebrachten Vorschriften nicht zur Jagd auf den Fondsstandort Luxemburg geblasen. Vielmehr hat er halbherzig auf die bereits seit Einführung der AIFM-RL bestehende Rechtswirklichkeit reagiert, wonach ausländische AIF, die Darlehen unbegrenzt vergeben dürfen, problemlos schon heute mittels Vertriebspasses grenzüberschreitend an professionelle Anleger vertrieben werden dürfen.

So oder so werden Darlehenfonds – unabhängig vom Auflagestandort Deutschland oder Luxemburg – zunehmend als Möglichkeit zur Diversifizierung der Anlageklassen  wahrgenommen. Schließlich empfehlen sie sich gegenüber den traditionellen Zinspapieren wegen der Vorteile von Fixed-Income-Investitionen (stabile Cash-Flows) bei einem zugleich attraktive(re)n Rendite-Risiko-Profil bei relativ hoher Wertstabilität. Das Rendite-Risiko-Profil lässt sich dabei entsprechend den Risikovorstellungen der Anleger durch eine Anpassung der Laufzeiten und Beleihungsgrenzen steuern.

21. Juni 2016

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Zusammengefasst
  • Europäischer regulatorischer Wille umfasst die Ausweitung der Nichtbankenfinanzierung
  • In Deutschland wird diesem Willen nur eingeschränkt Rechnung getragen
  • Produktspezifische Vorschriften in Deutschland stärker ausgeprägt als in Luxemburg, wie z.B. bei den Vorgaben zur Risikomischung
  • Nachfrage nach Darlehensfonds steigt weiter an
Thema

Debt bzw. Loan Funds

Debt bzw. Loan Funds sind eine neue Chance für Investoren. Nicht nur Versicherungsgesellschaften, sondern auch Fondsdienstleister entdecken den Markt für die gewerbliche (Immobilien-) Finanzierung zunehmend für sich. Da die meisten kleinen institutionellen Investoren nicht über das nötige Know-how verfügen, ermöglichen ihnen die Debt-Fund-Manager somit den Zugang zu Immobilienkrediten interessanter Projekte. Versierte Master-KVGen wissen um die beste Strukturierung des passenden Investmentvehikels.

Autor

Tobias Moroni

Tobias Moroni ist Mitglied des Executive Board des Bankhauses und Sprecher des Executive Board Asset Servicing. Zuvor war er Leiter Real Assets Deutschland ebenfalls bei Hauck & Aufhäuser Privatbankiers AG sowie davor Leiter Depotbank-Legal bei der Depotbank von Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG & Co. KGaA. Tobias Moroni ist Rechtsanwalt und referiert und veröffentlicht regelmäßig über aufsichtsrechtliche Entwicklungen.

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