Intelligente Intuition

Ob im Alltag oder im Beruf, ständig müssen wir uns entscheiden: Pasta oder Pizza? Bewerber A oder B? Investieren oder nicht? Ungefähr alle drei Sekunden treffen wir irgendeine Art von Entscheidung. Am Ende des Tages kommen wir so auf ca. 20.000 Entscheidungen. Eine unglaubliche Leistung. Wie machen wir das eigentlich?

Bewusste und unbewusste Entscheidungen

Viele Entscheidungen bringen uns kräftig ins Grübeln: Wir machen Pro- und Contra-Listen, vergleichen Alternativen, recherchieren stundenlang und verbringen viel Zeit auf der Suche nach der optimalen Lösung. Welcher Dienstleister ist besser? Welche Investition ist profitabler? Welche Aktie bringt mehr Rendite?

Andere Entscheidungen hingegen laufen schnell, leicht und fast automatisch ab. Wir treffen diese Entscheidungen oft gar nicht bewusst. Automatisch gehen wir nach links. Ohne nachzudenken bestellen wir die Pasta und nicht den Fisch. Ohne wirklich zu wissen, warum, entscheiden wir uns beim Bewerbungsgespräch intuitiv für Kandidat A oder ohne viel Recherche für Dienstleister B.

Bauchentscheidungen versus Kopfentscheidungen

Daniel Kahnemann, Psychologe und Wirtschafts-Nobelpreisträger macht für Leichtigkeit und Grübelei verschiedene kognitive Systeme verantwortlich. Wir besitzen Kognition und Intuition, treffen Kopf- und Bauchentscheidungen. Mit dem Bauch entscheiden wir schnell, automatisch, unbewusst. Mit dem Kopf zu entscheiden dagegen ist langsam, kontrolliert und sehr mühsam. Das ist auch der Grund, warum wir als energieeffiziente Lebewesen stets versuchen, kräftezehrende Kopfentscheidungen an den Bauch abzugeben.

Das allein ist schon ziemlich smart. Unsere Intuition hilft uns, Energie zu sparen. Unsere Intuition zu benutzen ist jedoch sogar auch noch in anderer Hinsicht intelligent, denn sie führt oft zu sehr guten Ergebnissen. Der Grund dafür ist, dass Intuition mitnichten auf unerklärlichen Prozessen beruht. Intuition ist nicht nur ein Impuls oder eine Laune. Sie basiert vielmehr auf einer eigenen Gesetzmäßigkeit, nämlich auf erlernten, aber unterbewussten Faustregeln, sogenannten Heuristiken. Diese Heuristiken laufen von uns unbemerkt ab und bewerten, ohne dass wir etwas davon mitbekommen, die Situation.

Unser Bauchgefühl ist smart

Bevor wir also überhaupt aktiv über ein Problem nachdenken, hat sich unsere Intuition schon darum gekümmert und schlägt einen Weg zur Lösung des Problems vor. Was wir dann spüren, ist das berühmte Bauchgefühl. Dieses Gefühl kommt zustande, weil unser Bauch unbemerkt eine Regel ausgewählt hat, mit der er die Situation beurteilen und lösen kann. Die Regel ist uns nicht bewusst, aber das verursachte Gefühl ist stark genug, um danach zu handeln.

Intuition ist keine Laune, sondern basiert auf Regeln

Es gibt unzählige Regeln! Mit das erstaunlichste an unserer Intuition ist, wie passend die Regel aus unserem vollen individuellen Werkzeugkasten ausgewählt wird. Hier ein paar Beispiele für Heuristiken:

  1. Wähle das Bekannte.
  2. Tu das, was die Mehrheit in deiner Bezugsgruppe tut.
  3. Entscheide anhand des ersten Grundes, der dir einfällt.

Diese Regeln sind sehr einfach, aber logisch. Somit ist Intuition nicht irrational, sondern denkrichtig.

Intuitive Täuschungen

Natürlich können trotzdem Fehler passieren, zum Beispiel bei der unpassenden Auswahl der Regel. Wenden wir für die Entscheidung zwischen Bewerber A und B Heuristikregel 1 an, sitzen bald nur noch Klone in unseren Büros. Verwenden wir Heuristikregel 3, kann es leicht zum Halo-Effekt kommen, ein berühmtes Beispiel für intuitive Täuschungen. Hier überstrahlt ein einziges (positives oder negatives) Merkmal alle anderen.

Intuition ist ein effizienter Weg zur Entscheidung, der entgegen weitläufiger Meinung sogar rational ist. Um zu einem optimalen Ergebnis bei einer Investitionsentscheidung oder einem Bewerbungsgespräch zu kommen, ist der Kopf-Einsatz jedoch letztendlich unvermeidlich.

 

07. November 2019

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Autor

Dr. Verena Utikal

Dr. Verena Utikal ist Mathematikerin und promovierte Volkswirtin im Bereich Verhaltensökonomik / Behavioral Economics. Sie arbeitete als Professorin an der Universität Nürnberg und der Universität Ulm und verfügt über zehn Jahre Erfahrung im Bereich der Entscheidungs- und Verhaltensforschung. Zudem ist sie selbständig als Beraterin & Trainerin, als Coach und ist Moderatorin des n-tv-Podcasts „Ja. Nein. Vielleicht.“.

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