„Kurzfristig noch weiter nach oben, aber später kommt dann ein Hammer“

Schon im vergangenen Jahr konnte der Mischfonds „Erba Invest“ den Markt deutlich outperformen und auch 2019 sieht es sehr gut aus – und dies in einem hoch volatilen Umfeld, das passiven Investmentstrategien Schwierigkeiten bereitet und auch aktiven Fondsmanagern einiges abverlangt. FondsTrends sprach mit dem verantwortlichen Fondsberater Erwin Bauer über die Hintergründe des Erfolgs, die generellen Perspektiven der Märkte und wie man sich trotz turbulenter Börsen eine gewisse innere Ruhe bewahrt.

FondsTrends: Herr Bauer, abgesehen von den USA scheinen sich nahezu alle Volkswirtschaften auf Rezessionskurs zu befinden – und dies trotz historisch niedrigster, ja teils negativer Zinsen. Wie schätzen Sie in diesem Kontext die Perspektiven für die Börsen ein? Hebt die Geldflut weiter alle Boote oder droht an den Märkten eher nun nachhaltig Ungemach? Und da Sie von der technischen Seite auf die Märkte blicken: einige Charttechniker sehen beim S&P 500 ein „Megaphon-Muster“, das ein bevorstehendes längerfristiges Top andeutet. Kommen Sie zu einer ähnlichen Einschätzung?

„Megaphon-Muster“ beim S&P500?  |  Quelle: northmantrader.com

Erwin Bauer: „Kurzfristig noch weiter nach oben, aber später kommt dann ein Hammer“ – so würde ich dies auf den Punkt bringen. Die sehr tiefen bis negativen Zinsen sind ein Grund für den derzeitigen Aufwärtstrend an den Aktienmärkten. Mangels Alternativen, wie z.B. Zinsen, fließt eben sehr viel Kapital zu den Aktien. Solange die wirtschaftliche Entwicklung dies noch bestätigt hat, stetiges Wachstum, ist dies auch zu begründen und zu verstehen. Nun, jetzt kippt dieses Wachstum und die Bewertungen stehen ohne fundamentale Unterfütterung da. Deswegen ist eben die Frage, wann die Märkte darauf regieren werden? Für mich steht da spätestens das erste Quartal 2020 auf dem Radar. Dann wird es nicht nur ein „Durchatmen“ oder „Verschnaufen“ an den Aktienmärkten mit 10% bis 20% – wie manche Kollegen meinen – geben, sondern deutlich mehr. Ich kann mir durchaus einen Einbruch von 40% bis 70% vorstellen. Und das wird dann auch die Auflösung des von Ihnen beschriebenen „Megaphons“ werden.

FondsTrends: Ende April fragte die „Bloomberg Businessweek“ auf ihrem Titelblatt: „Is Inflation Dead?“. Nun verfolgt dieses Magazin seit dem Titel „The Death of Equities“ am 13.08.1979 der Ruf eines „Kontraindikators“. Was denken Sie, ist die Inflation womöglich aufgrund wirtschaftlicher Übersättigung, Überschuldung und wegen des demografischen Wandels wirklich „tot“? Immerhin versuchen die großen Notenbanken nun schon einige Jahre vergebens „Zielinflationsraten“ zu erreichen.

Erwin Bauer: Nein, die Inflation ist keinesfalls tot. Im Gegenteil, sie fängt erst an sich zu entwickeln. Früher in der Ausbildung habe ich einmal gelernt: „Inflation ist mehr Geld als Ware“. Bei der Deflation ist es genau umgekehrt. Durch das ewige Gelddrucken der Notenbanken wurden ja schier unermessliche Geldsummen produziert. Ich bezeichne das als „ENTER-Geld“. Durch das Bedienen der „ENTER“-Taste beim Computer stellen die Notenbanken aus der Luft jede beliebige Geldsumme her. Wenn das keine Inflation ist, dann weiß ich auch nicht mehr. Wenn etwas in überreichlichem Maße zur Verfügung steht, dann ist es eigentlich nicht viel wert. Das nennt man dann Geldentwertung. Dies ist wiederum ein anderer Begriff für Inflation. Diese ist noch nicht so real spürbar, weil das ganze Kapital noch im Finanzsystem gehalten wird, aber sie wird sichtbar werden. Und dann sind wir auf dem Weg zur Hyperinflation mit ihren entsprechenden Konsequenzen.

FondsTrends: Im Juni konnte der von Ihnen gemanagte Fonds „Erba Invest“ um 11,69% zulegen. Was hat zu dieser fulminanten Entwicklung in nur einem Monat geführt? Vielleicht können Sie generell die Investmentstrategie des mehrfach ausgezeichneten Fonds etwas näher erläutern.

Erwin Bauer: Nun, nach der Beantwortung ihrer ersten beiden Fragen können Sie meine Grundeinstellung schon erkennen. Ein Strategieansatz ist, populäre Trends eher zu verkaufen und zurückgebliebene Segmente zu kaufen. Dies ist ein gewisser Contrarian-Ansatz und der Inflationsgedanke kommt auch noch mit dazu. Bei den Gold- und Silberminen treffen diese beiden Argumente zusammen. Diese sind zurzeit mit rund 40% gewichtet. Den Erfolg sahen wir damit im Juni. Eine Übergewichtung der Edelmetalle wird auch in der Zukunft bleiben. Mit der Chartanalyse suchen wir nach interessanten Aktien oder auch Indizes. Zurzeit sind wir über einen ETF in Korea investiert. Was uns von manchem Wettbewerber unterscheidet ist, dass wir auch netto short gehen. Also nicht als Absicherung, sondern aus Marktmeinung. Wie ich schon eingangs erwähnte, gehe ich von einer großen Korrektur an den Märkten aus und in dieser Entwicklung wollen wir short im DAX und S&P 500 positioniert sein. Der ERBA wird dann wieder in der Spitze der Vergleichsgruppen sein, wie z.B. 2016.

FondsTrends: In einem Interview im April sagten Sie, das Finanzsystem sei „krank und reformbedürftig“. Ist eine „Evolution“ überhaupt realistisch, oder müssen sich Investoren eher auf eine längere Krise einstellen, die letztlich zu einer „Revolution“, einer mehr oder weniger erzwungenen Reformierung führt?

Erwin Bauer im Interview bei FinanceNewsTV  |  Quelle: YouTube

Erwin Bauer: Eine „Evolution“ wäre wünschenswert, eine „Revolution“ wird wahrscheinlich. Ein Beweis, warum das System krank ist, stelle ich in der täglichen Arbeit fest. Mein Chartprogramm, mit dem ich schon lange arbeite, kann keine negativen Zahlen darstellen. Eine Aktie hat einen positiven Wert oder null, ein Index hat einen positiven Wert oder null und Währungen haben immer einen positiven Wert. Kein Softwareentwickler kam jemals auf die Idee, dass es an der Börse auch negative Zahlen geben kann. Mit den Minusrenditen ist das jetzt eingetreten. Das kann natürlich korrigiert werden, es zeigt jedoch, dass wir Zeiten haben, die früher undenkbar gewesen sind. Wenn wir so weitermachen, fahren wir unsere Banken, Lebensversicherer, Pensionskassen usw. langsam gegen die Wand. Die Geschäftsmodelle funktionieren nicht mehr. Frau Lagarde hat schon angekündigt, dass sie den eingeschlagenen Weg von ihrem Vorgänger nicht ändern will. Das wird dann mit Sicherheit nicht lustig, was dann geschehen wird. Ich habe einen anderen Vorschlag. Die EZB sollte bei der nächsten Sitzung den Einlagensatz von -0,5% auf +0,5% erhöhen. Das mit entsprechend positiver medialer Unterstützung. Was würde geschehen? Ich glaube nicht so viel. Nach einem kurzfristigen Grummeln und Poltern der Märkte würde man wieder zur Tagesordnung übergehen. Aber die Systeme würden dann wieder funktionieren. Jeder kann sich dazu seine Gedanken machen. Alles andere wird in einen Exodus führen.

FondsTrends: Sie verfügen über langjährige Erfahrungswerte an den Börsen. Wie schaffen Sie es, dass Sie die Märkte nicht mental und zeitlich „vereinnahmen“? Wie bewahren Sie Ruhe, wenn mal wieder Panik herrscht? Wie erreichen Sie für sich einen persönlichen Ausgleich?

Erwin Bauer: Als ich in den neunziger Jahren Abteilungsleiter für Wertpapiere in der Bank wurde, sagte ich „Jetzt mache ich mein Hobby zum Beruf“. Seit nunmehr 22 Jahren bin ich selbständig und seit 30 Jahren bin ich an den Kapitalmärkten aktiv. In dieser Zeit hat sich ein doch großer Erfahrungsschatz gebildet. Ich habe alle Aufs und Abs der Börsen in dieser Zeit live und am eigenen Körper miterlebt. Die Börse mit ihrer Psychologie ist das eine, das andere ist das Leben an sich. Auch darüber philosophiere ich viel. Aber das ist ein ganz anderes Thema. Die Musik bringt dazu noch einen wunderbaren Ausgleich.

FondsTrends: Herr Bauer, herzlichen Dank für das interessante Interview und weiterhin viel Erfolg!

 

21. November 2019

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Autor

Erwin Bauer

Der gelernte Sparkassenfachwirt war von 1990 bis 1995 Abteilungsleiter Wertpapiere bei der Sparkasse Rothenburg, bevor er sich 1996 selbstständig machte. Von 2009 bis 2017 war er Vorstandsvorsitzender der amandea Vermögensverwaltungs AG. Seit 2007 ist Erwin Bauer Berater des Mischfonds ERBA Invest und seit 2018 Geschäftsführer der ERBA Invest GmbH.

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