Offene Immobilienfonds in Corona-Zeiten: Krisenfest dank neuer Regeln

Durch die Neuregulierung in Folge der Finanzkrise sind offene Immobilienfonds heute wesentlich weniger anfällig für externe Schocks. Somit haben sich Mindesthalte- und Kündigungsfristen in der Corona-Krise bewährt.

Weitere regulatorische Maßnahmen leisten ebenfalls Abhilfe bei der Erhaltung der Stabilität von offenen Immobilienfonds.

Vor mehr als zehn Jahren sind viele offene Immobilienfonds in der Finanzkrise in Schieflage geraten und mussten einen erheblichen Vertrauensverlust hinnehmen. Überraschenderweise waren beispielsweise offene Immobilienfonds im Kern von der Finanzkrise gar nicht betroffen. Im Gegenteil: Bis zur Finanzkrise erzielten offene Immobilienfonds eine durchschnittliche Rendite von 5,1 Prozent p.a.. Mietverträge mit längeren Laufzeiten waren zudem der Garant, dass die anstehende globale Rezession die Renditen kurz- bis mittelfristig nicht deutlich schmälern würde.

Aus Unsicherheit oder auch, um sich Liquidität zu verschaffen, zogen jedoch vor allem institutionelle Investoren von heute auf morgen Millionenbeträge ab. Die auf Fondsseite vorhandenen Liquiditätsreserven konnten die gesteigerten Rückgabeforderungen oftmals nicht decken. Das hatte zur Folge, dass die Rücknahme der Anteile ausgesetzt werden und Immobilien gewissermaßen im Schnellverfahren verkauft werden mussten, um Rückgabewünsche von Anteilsbesitzern zeitnah erfüllen zu können. Da ein Verkauf illiquider Vermögenswerte wie Immobilien allerdings oft über Jahre hinweg vorbereitet werden muss, ließen sich vielfach nicht die gewünschten Erlöse erzielen. Konnte ein offener Immobilienfonds daraufhin auch nach Aussetzung der Anteilsrücknahme nicht genügend liquide Mittel zur Auszahlung der Anleger auftreiben, so musste der Immobilienfonds geschlossen werden. Damit offenbarte sich ein entscheidender Konstruktionsfehler der Vehikel.

Der Regulator hat mit der Einführung des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) im Jahr 2013 – streng genommen bereits kurz zuvor durch das Inkrafttreten des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes (AnsFuG) – diesen entscheidenden Konstruktionsfehler bei offenen Immobilienfonds behoben. Nunmehr gilt für offene Immobilienfonds eine Mindesthaltedauer von zwei Jahren und eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten. Eine Flucht aus offenen Immobilienfonds, wie sie während der Finanzkrise zu beobachten war, ist faktisch nicht mehr möglich. Tatsächlich waren dann auch keine Mittelabflüsse in größerem Ausmaß zu verzeichnen (Stand Ende Mai 2020), sodass die Liquidität für offene Immobilienfonds weiterhin gesichert ist. Die Aussetzung von Anteilsrücknahmen gilt nun nicht nur theoretisch, sondern auch tatsächlich als „ultima ratio“, womit dem nicht volatilen Charakter der Immobilien Rechnung getragen wird.

Eine weitere regulatorische Folge der Finanzkrise ist die unabhängige quartalsweise Bewertung der Immobilien durch externe Bewerter. Mit der vierteljährlichen Bewertung soll mehr Transparenz geschaffen werden, denn die enormen Rückgabewünsche in der Finanzkrise waren nämlich unter anderem auf die Sorge vieler Anleger zurückzuführen, dass die Immobilien der Fonds nicht den Verkehrswert innehatten, der in den Fondsbüchern ausgewiesen war. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die quartalsweise Bewertung Immobilienfonds volatiler und damit für Krisen entgegen der gesetzgeberischen Intention anfälliger macht. So könnten sich bereits kurzfristige Mietausfälle während der Corona-Krise – vielfach befördert durch das Ende März verabschiedete Notgesetz, das Mietern den Kündigungsschutz auch bei Mietaussetzungen garantiert – negativ in der Immobilienbewertung niederschlagen. Entsprechend müsste sodann der Anteilspreis der offenen Immobilienfonds kurzfristig nach unten korrigiert werden. Fraglich erscheint, ob ein derartiges Prozedere dem Charakter von Immobilieninvestments gerecht wird. Als illiquide Vermögensgegenstände dienen sie zuvörderst der langfristig orientierten Kapitalanlage. Bewertungsansatz und -rhythmus sollten diese grundlegenden Eigenschaften einer Immobilie als Kapitalanlage nicht übermäßig konterkarieren und keine kurzfristigen Schwankungen der Verkehrswerte vorspiegeln, die auf bloßen Momentaufnahmen beruhen.

Bislang haben sich derartige Befürchtungen allerdings nicht bewahrheitet, wie während der Corona-Krise erstellte Bewertungen belegen. Nur temporäre Ertragsstörungen entfalten zunächst keinen wesentlichen Einfluss auf die Parameter zur Ermittlung des Verkehrswertes. Vielmehr gilt weiterhin der Grundsatz, diesen auf Basis eines durchschnittlichen Preises vieler Marktteilnehmer und Objekte zu einem bestimmten Zeitpunkt zu bestimmen, ohne kurzfristige individuelle Entwicklungen, wie einzelne Mietausfälle oder -stundungen, über Gebühr zu berücksichtigen. Insofern entfaltete das Notgesetz keine größeren Auswirkungen auf die Bewertung von Immobilien. Es soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass sich der Investor im Falle kurzfristiger Mietausfälle, die nicht in den Fondswert einfließen, im Zweifel nicht auf den aktuellen Fondswert verlassen kann. Durch die oben geschilderte Bewertungspraxis entsteht bei nur kurzfristigen Mietausfällen somit ein Spannungsverhältnis zwischen der Stabilität der Immobilienfonds auf der einen Seite und dem Vertrauen des Marktes auf die Richtigkeit des aktuellen Fondswertes auf der anderen Seite. Gerade letzteres stellt erhöhte Anforderungen an die Manager der AIF, um die Risiken zu messen sowie Maßnahmen zu treffen und diese dann an die Investoren zu kommunizieren.

Sollten Dauer und Ausmaß der Mietausfälle höher ausfallen und mittel- bis langfristiger Natur sein – etwa in Folge neuerlicher Verschärfungen der Corona-Regeln oder anhaltender Unsicherheit über den Fortgang der Krise – dürfte dies größere Auswirkungen auf die Bewertung von Immobilien mit sich bringen. Mittel- bis langfristige Mietausfälle, insbesondere aber auch dauerhafte Reduzierungen der Mieten, schlagen sich unweigerlich im Ertragswert von Immobilien nieder, was sich zwangsläufig auch auf die Bewertungen und damit auf den Anteilspreis offener Immobilienfonds auswirkt.

Gerade bei Gewerbeimmobilien, vor allem im Einzelhandels- und Hotelsegment, kam es bereits vermehrt zu Verhandlungen über die Stundung oder Reduzierung der Miete. Auch in diesem Fall spielen regulatorische Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle. So sind die Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen) bei Verhandlungen über Mietreduzierungen im Sinne eines „ordentlichen Geschäftsmanns“ verpflichtet, die Interessen der Anleger bestmöglich zu vertreten, sprich den Schaden so gering wie möglich zu halten. Hier ist auf Seiten der KVGen eine sorgfältige Abwägung gefordert: Inwieweit sind vorübergehende Mietausfälle, -stundungen oder gar dauerhafte Reduzierungen auch nach Auslaufen der gesetzlichen Sonderregeln zu akzeptieren, um Mietern untragbare finanzielle Belastungen zu ersparen und damit den langfristigen Investmenterfolg sicherzustellen? Zwar steht den KVGen hier in aller Regel ein großzügiger Verhandlungsspielraum zu, allerdings sind alle Entscheidungen sorgfältig zu begründen und zu dokumentieren. Im Zweifelsfall hat in diesem regulatorischen Spannungsverhältnis zudem auch die finanzierende Bank ein Wort mitzureden, wenn es entsprechende Vertragsklauseln gibt.

In welchem Ausmaß es hier zu Anpassungen kommen wird, hängt im Wesentlichen vom Fortgang der Corona-Krise ab. Ein neuerlicher Lockdown träfe etliche Mieter mit Sicherheit hart. Bislang aber bleibt positiv festzuhalten, dass die Pandemie, anders als zu Zeiten der Finanzkrise, dank der in großen Teilen umsichtigen Regulierung keine Panikverkäufe zur Folge hatte und offene Immobilienfonds wieder die Stabilität bieten, für die sie bei Anlegern vor der Finanzkrise lange Zeit standen.

Klar ist dabei, dass auch eine starke Regulierung nicht gänzlich vor den Folgen einer Krise schützen kann. Sie kann aber für Rahmenbedingungen sorgen, die einen angemessenen Schutz vor Überreaktionen der Investoren bieten. Wird sie, wie aktuell, von einem sensiblen Handeln der Aufsichtsbehörde – kurzfristig hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht das aus massiven Aktienverlusten resultierende Überschreiten der vorgegebenen Immobilienquote von 25 Prozent auf Seiten vieler institutioneller Investoren nicht moniert – flankiert, so leistet sie einen wesentlichen Beitrag dazu, dass Immobilienfonds ihrem Anspruch als langfristig orientierte und krisenfeste Anlagelösungen neuerlich gerecht werden.

 

27. Oktober 2020

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Autor

Robert Guzialowski

Robert Guzialowski ist Leiter Real Assets Deutschland bei Hauck & Aufhäuser Privatbankiers AG. Er verantwortet neben Vertrieb und Kundenmanagement der AIF-Verwahrstelle die Begleitung der KVGen von der Aufnahme der Geschäftsbeziehung über das Onboarding bis hin zu den Fondstransaktionen. Robert Guzialowski ist Rechtsanwalt und veröffentlicht regelmäßig zu aufsichtsrechtlichen Entwicklungen.

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