DAC 6 – die 10 wichtigsten Fragen und Antworten vor dem 1. Juli 2020

„DAC 6“ – zu diesen drei Buchstaben erreichten Hauck & Aufhäuser in letzter Zeit sehr viele Fragen von Initiatoren, Portfoliomanagern und Vertriebsplattformen. Die entsprechende Europäische Richtlinie 2011/16 in ihrer letzten Fassung ist in der Fondsbranche in aller Munde – gleichzeitig ist die Verunsicherung groß, wer was bis wann denn nun genau getan haben muss, um wirklich DAC 6-konform zu sein. Fenja Olk-Puder, Head of Tax & Regulatory bei Hauck & Aufhäuser Fund Services S.A., gibt Ihnen daher einen Überblick über die zehn wichtigsten Fragen und Antworten rund um DAC 6.

1. Was bedeutet „DAC“ und warum „6“?

DAC steht für „Directive on Administrative Cooperation“, also für die europäische Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung.
Die entsprechende Richtlinie 2011/16 (auch „EU-Amtshilferichtlinie“) wurde seit ihrer initialen Verabschiedung 2011 bereits diverse Male angepasst.
Im Mai 2018 hat der Rat der Europäischen Union dann die Richtlinie 2018/822 verabschiedet. Diese ändert die Richtlinie 2011/16 zum sechsten Mal und wird daher als DAC 6 bezeichnet.

2. Was ist das Ziel von DAC 6?

Die Richtlinie 2018/822 verpflichtet jeden Mitgliedstaat der europäischen Union, in seinem nationalen Recht Regelungen zu schaffen, die dafür sorgen, dass grenzüberschreitende Gestaltungen gemeldet werden müssen.
Hintergrund ist, dass es für die Mitgliedstaaten der EU „immer schwieriger wird, ihre nationalen Besteuerungsgrundlagen gegen Aushöhlung zu schützen, da die Steuerplanungsstrukturen immer ausgefeilter werden und sich häufig die höhere Mobilität von Kapital und Personen im Binnenmarkt zunutze machen.“ Daher ist es aus der Sicht des europäischen Gesetzgebers von „entscheidender Bedeutung, dass die Steuerbehörden der Mitgliedstaaten umfassende und relevante Informationen über potentiell aggressive Steuergestaltungen erhalten.“[1]
Die abzugebenden Meldungen sollen also die Steuerbehörden schon bei Auflage von Strukturen informieren, damit diese dann sofort Maßnahmen treffen können, um Steuerausfälle zu verhindern. Der Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstatten soll ausdrücklich „abschreckende Wirkung im Hinblick auf aggressive Steuerplanungspraktiken“ haben.[2]

3. Warum ist es wichtig, sich auf jeden Fall vor dem 1. Juli 2020 mit DAC 6 zu beschäftigen und welche Rolle spielt der 25. Juni 2018?

Die Richtlinie 2018/822 verpflichtete die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, bis spätestens 31. Dezember 2019 die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Ab dem 1. Juli 2020 muss dann zwingend innerhalb von 30 Tagen eine Meldung erfolgen, soweit die Voraussetzungen einer grenzüberschreitenden Gestaltung erfüllt sind. Die Frist startet spätestens dann, wenn der erste Schritt der praktischen Umsetzung der meldepflichtigen grenzüberschreitenden Gestaltung gemacht wird.
Erfolgte der erste Schritt der Umsetzung zwischen dem 25. Juni 2018 und dem 1. Juli 2020, muss eine rückwirkende Meldung innerhalb von zwei Monaten ab dem 1. Juli 2020 erfolgen. Für diesen Übergangszeitraum gibt die Richtlinie damit den Intermediären und Steuerpflichtigen mehr Zeit, um sich auf die Erfüllung ihrer DAC 6-Meldepflichten einzurichten.

4. Welche Steuerarten sind betroffen und welche nicht?

Nach Artikel 2 Absatz 1 gilt die Richtlinie 2011/16 für sämtliche direkte Steuern, wie zum Beispiel Einkommenssteuer und Körperschaftssteuer. Soweit das nationale Recht diese Steuer vorsieht, fallen zudem sowohl Gewerbesteuern als auch Vermögenssteuern in den Geltungsbereich.
Die Richtlinie gilt nach Artikel 2 Absatz 2 aber ausdrücklich nicht für Mehrwertsteuer, Zölle und sogenannte Verbrauchsteuern wie beispielsweise die deutsche Bier-, Kaffee- oder Tabaksteuer. Ebenfalls vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sind Pflichtbeiträge zu Sozialversicherungen.

5. Was bedeutet „grenzüberschreitend“?

Grenzüberschreitend ist eine Gestaltung dann, wenn sie mehr als einen Mitgliedstaat oder einen Mitgliedstaat und einen Drittstaat betrifft. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn nicht alle Beteiligten im selben Hoheitsgebiet steuerlich ansässig sind. Mit anderen Worten: Ist an einem Luxemburger AIF ein Investor aus Deutschland beteiligt oder der Luxemburger AIF investiert in eine französische Start-Up-Gesellschaft, ist die Voraussetzung grenzüberschreitend schon erfüllt.
Betrachtet man den Luxemburger Fonds-Markt mit seinen internationalen Verknüpfungen, ist kaum eine Struktur denkbar, die nicht entweder auf Seiten des Investors, anderer Serviceprovider oder durch ihre Ziel-Investments grenzüberschreitend ist. Eine Meldepflicht dürfte aus diesem Grund selten zu vermeiden sein.

Austausch der Informationen innerhalb der EU

6. Und was genau ist eine „potenziell aggressive (Steuer-) Gestaltung“?

Artikel 3 Nr. 19 der Richtlinie 2011/16 stellt kurz und knapp fest: Eine (potentiell aggressive und damit) meldepflichtige Gestaltung ist jede grenzüberschreitende Gestaltung, die mindestens eines der in Anhang IV (hier abrufbar) aufgeführten Kennzeichen aufweist.

7. Was sind das für „Kennzeichen“ oder auch „Hallmarks“? Welche Gruppen von Kennzeichen gibt es?

Nach Artikel 3 Nr. 20 der Richtlinie 2011/16 ist ein „Kennzeichen ein Merkmal oder eine Eigenschaft einer grenzüberschreitenden Gestaltung gemäß Anhang IV, das bzw. die auf ein potenzielles Risiko der Steuervermeidung hindeutet.“

Anhang IV enthält fünf Gruppen von Kennzeichen:

A. Allgemeine Kennzeichen in Verbindung mit dem „Main Benefit“-Test
B. Spezifische Kennzeichen in Verbindung mit dem „Main Benefit“-Test
C. Spezifische Kennzeichen im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Transaktionen
D. Spezifische Kennzeichen hinsichtlich des automatischen Informationsaustauschs und der wirtschaftlichen Eigentümer
E. Spezifische Kennzeichen hinsichtlich der Verrechnungspreisgestaltung

Der angesprochene „Main Benefit“-Test gilt dann als erfüllt, „wenn festgestellt werden kann, dass der Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile, den eine Person unter Berücksichtigung aller relevanten Fakten und Umstände vernünftigerweise von einer Gestaltung erwarten kann, die Erlangung eines Steuervorteils ist“ (Richtlinie 2011/ 16, Anhang IV, Teil I).

Ein solcher Test ist nicht bei sämtlichen Kennzeichen durchzuführen, das ergibt sich teilweise schon aus den Überschriften der Gruppen.

Beispiel:
In Gruppe A findet sich das Kennzeichen, dass Verträge zwischen Beteiligten eine Vertraulichkeitsklausel enthalten. Ist hier Grund der Vertraulichkeit etwa der Schutz von Patent- oder Markenrechten und will keiner der Beteiligten als Hauptvorteil mit der Vertraulichkeit einen Steuervorteil erreichen, ist dieses Kennzeichen nicht erfüllt, weil der erforderliche „Main Benefit“-Test scheitert.

Umgekehrt ist es im Hinblick auf den automatischen Informationsaustausch (Gruppe D) nicht relevant, ob ein Steuervorteil erzielt wird oder nicht. Es reicht aus, wenn zum Beispiel Meldepflichten hinsichtlich das Austausches von Informationen zu Finanzkonten ausgehöhlt werden.
Alle einzelnen Kennzeichen jeder Gruppe hier gesondert aufzuführen und anhand von Beispielen auch greifbar zu machen, würde allerdings den Rahmen dieser Zusammenfassung sprengen.

Zu dieser Frage wird es daher zukünftig einen gesonderten Beitrag geben, der sich allein diesem Thema widmet.

8. Wer ist zu einer Meldung verpflichtet?

Melden muss eine Gestaltung grundsätzlich der sogenannte Intermediär. Nach Artikel 3 Nr. 21 der Richtlinie 2011/16 ist ein Intermediär jede Person, die eine meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltung

  • konzipiert
  • vermarktet
  • organisiert
  • zur Umsetzung bereitstellt oder
  • die Umsetzung einer solchen Gestaltung verwaltet

Selbst wenn die handelnden Personen bei sorgfältiger Überprüfung feststellen sollten, dass sie die obigen Voraussetzungen nicht erfüllen, geht die Richtlinie noch einen Schritt weiter. Der 2. Absatz von Nr. 21 lautet weiter:

„Dieser Ausdruck (also Intermediär, Anm. des Verf.) bezeichnet auch jede Person, die — unter Berücksichtigung der relevanten Fakten und Umstände und auf der Grundlage der verfügbaren Informationen sowie des einschlägigen Fachwissens und Verständnisses, die für die Erbringung solcher Dienstleistungen erforderlich sind, — weiß oder vernünftigerweise wissen müsste, dass sie unmittelbar oder über andere Personen Hilfe, Unterstützung oder Beratung im Hinblick auf Konzeption, Vermarktung, Organisation, Bereitstellung zur Umsetzung oder Verwaltung der Umsetzung einer meldepflichtigen grenzüberschreitenden Gestaltung geleistet hat. Jede Person hat das Recht, Beweise zu erbringen, wonach sie nicht wusste oder vernünftigerweise nicht wissen konnte, dass sie an einer meldepflichtigen grenzüberschreitenden Gestaltung beteiligt war. Die betreffende Person kann zu diesem Zweck alle relevanten Fakten und Umstände sowie verfügbaren Informationen und ihr einschlägiges Fachwissen und Verständnis geltend machen.“

Dieser Absatz definiert den sogenannten Hilfsintermediär. Hiernach wird jede Person auch meldepflichtig, die eine Struktur zwar weder konzipiert, noch vertreibt oder in sonstiger Weise eine zentrale Rolle einnimmt, aber dennoch unterstützend tätig ist.

In Luxemburg erbringen viele ManCos für AIFs Dienstleistungen im Bereich Buchführung, als Domizilierungsstelle und als Transfer Agent. Die Struktur selbst wird aber oft außerhalb von Luxemburg konzipiert, die ManCo kennt dann gar nicht sämtliche Erwägungen, die zur aktuellen Struktur geführt haben.
Erschwerend kommt hier noch dazu, dass die Richtlinie nicht allein positives Wissen fordert, sondern es nach dem Wortlaut schon ausreicht, wenn der Erbringer von administrativen Leistungen „vernünftigerweise hätte wissen müssen“, dass er Hilfe bei der Verwaltung der Gestaltung leistet. Es ist noch völlig ungeklärt, was genau diese Formulierung im Einzelnen bedeutet: Muss sich die ManCo hier in Zukunft zusätzliches Wissen aktiv beschaffen? Wenn ja, in welchem Umfang? Und was bedeutet „vernünftigerweise“ denn nun genau in der Praxis?

Festzustellen ist, dass es in dieser Frage einen erheblichen Unsicherheitsfaktor geben wird. Aus der Sicht der Fondsindustrie ist daher klar zu wünschen, dass der luxemburgische Gesetzgeber, die Steuerverwaltung oder auch die Interessenverbände möglichst umfassende Erläuterungen und Klarstellungen veröffentlichen, um hier ausreichend Rechtssicherheit für alle potenziellen Intermediäre oder Hilfsintermediäre zu schaffen.

9. Wie sehen die Strafen aus?

Nach Artikel 25a obliegt es dem Mitgliedstaat, Sanktionen festzulegen. Diese müssen aber ausdrücklich abschreckend sein. Der luxemburgische Gesetzentwurf sieht im Falle einer Nichtmeldung, einer verspäteten, einer unvollständigen oder inhaltlich unrichtigen Meldung in Artikel 15 Strafen von bis zu 250.000 EUR vor.

10. Was macht Luxemburg in Sachen DAC 6?

Europäische Richtlinien müssen generell in nationales Recht umgesetzt werden. In Luxemburg gibt es einen Gesetzesentwurf Nr. 7465, der am 8. August 2019 veröffentlicht wurde. Bisher ist dieses DAC 6-Gesetz aber noch nicht verabschiedet, die Verabschiedung soll aber zeitnah erfolgen.
Vergleicht man den jetzigen Gesetzesentwurf mit der Richtlinie, so wird sich die luxemburgische Umsetzung eng an die Richtlinie anlehnen. Auch die Vorgaben hinsichtlich des sogenannten Hilfsintermediärs werden voraussichtlich Eingang in das luxemburgische Gesetz finden.

Fazit:

In Sachen DAC 6 kommt auf alle luxemburgischen ManCos erhebliche Arbeit zu. Jede Gesellschaft muss sich für jeden ihrer Fonds in Bezug auf jede ihrer Einzeldienstleistungen die Frage stellen, ob es sich um eine grenzüberschreitende Steuergestaltung handelt, an welcher sie als Intermediär oder Hilfsintermediär beteiligt und damit zur Meldung verpflichtet sein könnte. Die sich dabei stellenden rechtlichen Fragen sind sehr komplex und – wie dargestellt – gibt es noch viele Formulierungen in der Richtlinie, die in ihrer jetzigen Form ohne weitere Erläuterungen keine klaren Antworten möglich machen.

 

02. März 2020


[1] vgl. Erwägungen zur Richtlinie 2018/822, Nummer 2.
[2] vgl. Erwägungen zur Richtlinie 2018/822, Nummer 11.

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Autor

Fenja Olk-Puder

Fenja Olk-Puder ist Rechtsanwältin (Deutschland), Steuerberaterin (Deutschland). Sie verfügt über eine Berufserfahrung von mehr als 15 Jahren. Zunächst war sie 3 Jahre als Associate bei einer internationalen Rechtsanwaltskanzlei in Frankfurt am Main in den Bereichen Merger & Acquisition und Litigation (Verfahrensführung und Nichtzulassungsbeschwerden beim Bundesfinanzhof) tätig. Seit 2005 hat Frau Olk-Puder in Luxemburg bei einer internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gearbeitet. Sie war dort in den letzten vier Jahren alleine verantwortlich für die gesamte steuerliche Beratung im Bereich Investmentfonds, einschließlich der steuerlichen Betreuung von betrieblichen und privaten Anlegern. Seit Januar 2018 ist Frau Olk-Puder Head of Tax & Regulatory bei Hauck & Aufhäuser Fund Services S.A.. Frau Olk-Puder ist spezialisiert auf die Beratung von Investmentvermögen, vermögenden Privatkunden und den gesamten Komplex der nationalen und internationalen Besteuerung von Kapitaleinkünften.

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